Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

Momenten, wo der Kongreß dem Bruch nahe stand, dessen Zustimmung im Bett 
erreicht; — kurz, ich habe mich auf dem Kongreß so verhalten, daß ich dachte, 
nachdem er zu Ende war: „Nun, den höchsten russischen Orden in Brillanten be- 
sitze ich längst, sonst müßte ich den jetzt bekommen!“ Kurz, ich habe das Gefühl 
gehabt, ein Verdienst für eine fremde Macht mir erworben zu haben, wie es 
selten einem fremden Minister vergönnt gewesen ist. Welches mußte also meine 
Überraschung und meine Enttäuschung sein, wie allmählich eine Art Preßfeldzug 
in Petersburg anfing, durch welche die deutsche Politik angegriffen, ich personlich 
in meinen Absichten verdächtigt wurde. Diese Angriffe steigerten sich während des 
darauffolgenden Jahres bis 1879 zu starken Forderungen eines Druckes, den wir 
auf Osterreich üben sollten in Sachen, wo wir das österreichische Recht nicht ohne 
weiteres angreifen konnten1). Ich konnte dazu meine Hand nicht bieten; denn, 
wenn wir uns Osterreich entfremdeten, so gerieten wir, wenn wir nicht ganz 
isoliert sein wollten in Europa, notwendig in Abhängigkeit von Rußland. Wäre 
eine solche Abhängigkeit erträglich gewesen? Ich hätte früher geglaubt, sie könnte 
es sein, indem ich mir sagte: „Wir haben gar keine streitigen Interessen; es ist 
gar kein Grund, warum Rußland uns je die Freundschaft kündigen sollte.“ Ich 
habe wenigstens meinen russischen Kollegen, die mir dergleichen auseinandersetzten, 
nicht gerade widersprochen). Der Vorgang betreffs des Kongresses enttäuschte 
mich; der sagte mir, daß selbst ein vollständiges Indienststellen unserer Politik 
(für gewisse Zeit) in die russische uns nicht davor schützte, gegen unseren Willen 
und gegen unser Bestreben mit Rußland in Streit zu geraten. Dieser Streit 
über Instruktionen, die wir an unsere Bevollmächtigten in den Verhandlungen 
im Süden gegeben oder nicht gegeben hatten, steigerten sich bis zu Drohungen, 
bis zu vollständigen Kriegsdrohungen von der kompetentesten Seites). 
Das ist der Ursprung unseres österreichischen Vertrages. Durch diese Drohungen 
wurden wir gezwungen, zu der von mir seit Jahrzehnten vermiedenen Option 
zwischen unseren beiden bisherigen Freunden zu schreiten. Ich habe damals den 
Vertrag, der vorgestern publiziert worden ist, in Gastein und Wien verhandelt, 
und er gilt noch heute zwischen uns. 
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Der deutsch-österreichische Bündnisvertrag. 
1879. 
Quelle: Die amtliche Mitteilung des Vertrages im Reichs= und Staats- 
anzeiger vom 3. Februar 18885). 
Fundort: L. Hahn, Fürst Bismarck. Bd. 5. S. 505 und 566. 
Die Regierungen Deutschlands und der össterreichisch-ungarischen Monarchie 
haben sich zu der Veröffentlichung ihres am 7. Oktober 1879 abgeschlossenen Bünd- 
nisses entschlossen, um den Zweifeln ein Ende zu machen, welche an den rein 
1) In den Angelegenheiten der orientalischen Kommission (vgl. S. 127 Anm.). 
2) Vor allem war es Graf Schuwalow gewesen (vgl. Bismarcks Ged. u. Er. Bd. 2. 
S. 220—224). · 
(l RUDng Kriegsdrohungen waren ausgesprochen in dem Briefe des Kaisers Alexander 
vgl. Nr. 73). 
½)) Infolge der aus allslawischen Kreisen Rußlands hervorgegangenen Verdächtigungen 
der deutschen Politik hatte die russische Regierung allmählich große Truppenmassen an ihre 
westliche Grenze gelegt. Um fortgesetzten Mißdeutungen der Absichten Deutschlands und 
1W7s6. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. III. 9 
  
 
	        
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