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seines inneren Wertes, einen jeden fremden Staat in seiner Entwicklung achtend,
die Opfer, die seine Weltmachtstellung verlangt, mit Freuden bringend, dem
Parteigeist entsagend, einheitlich und geschlossen hinter seinen Fürsten und seinem
Kaiser stehend, so wird unser deutsches Volk auch in den Hansastädten ihr großes
Werk zum Wohle unseres Vaterlandes fördern helfen.
Das ist mein Wunsch zum heutigen Tage, mit dem ich mein Glas erhebe auf
das Wohl Hamburgs.
2. Quelle: Reichstagsrede des Reichskanzlers Fürsten Bülow
am 19. November 1908.
Fundort: Wilhelm von Massow a. a. O. Bd. 5. S. 91.
Kaum war unsere Stellung in Europa durch Rüstungen und Bündnisse ge-
sichert, kaum hatten wir begonnen, unser Wirtschaftsleben durch Handelsverträge
und Zollpolitik zu stärken, als unsere eigenen wirtschaftlichen Fortschritte, der Auf-
schwung von Handel, Industrie und Schiffahrt uns auch schon zwangen, jenseit
der Meere Kolonien zu suchen, einen jungen Welthandel auch politisch zu sichern,
mit den bisherigen Traditionen einer kontinentalen, einer rein europäischen
Politik zu brechen und Weltpolitik zu treiben. Dieser Übergang stellte uns vor
eine neue, dringende und wichtige Aufgabe: das neue Reich bedurfte einer Flotte,
stark genug, seine Küsten, seine überseeischen Interessen und seinen Handel zu
schützen. Wir haben diese Flotte bauen müssen, und wir haben sie schnell bauen
müssen, weil eine schnelle Entwicklung uns dazu nötigte.
3. Quelle: Fürst von Bülow, Deutsche Politik. Berlin 19161). S. 16—19.
Mit seinen 22,5 Milliarden Außenhandel war Deutschland im Jahre 1913
hinter Großbritannien mit 27 und vor den Vereinigten Staaten mit 17 Milliarden
die zweitgrößte Handelsmacht der Welt. Die deutschen Häfen sahen im Jahre
1913 89329 eigene und 26637 fremde Schiffe ankommen, 90456 eigene und
26919 fremde Schiffe auslaufen. Durchschnittlich 80 Dampfschiffe und an 50 Segel-
schiffe stellten die deutschen Reedereien jährlich neu ein. In rapider Entwicklung
haben wir Deutschen unseren Platz gewonnen in der vordersten Reihe der see-
fahrenden und Seehandel treibenden Völker.
Das Meer hat eine Bedeutung für unser nationales Leben gewonnen, wie
niemals zuvor in unserer Geschichte, auch nicht in den großen Zeiten der deutschen
Hansa. Es ist ein Lebensstrang für uns geworden, den wir uns nicht durchschneiden
lassen dürfen, wenn wir nicht aus einem aufblühenden und jugendfrischen ein
verwelkendes und alterndes Volk werden wollen. Dieser Gefahr waren wir aber
ausgesetzt, solange es unserem Welthandel und unserer Schiffahrt gegenüber den
übermächtigen Kriegsflotten anderer Mächte an nationalem Schutz auf dem Meere
gebrach. Die Aufgaben, die die bewaffnete Macht des Deutschen Reiches zu erfüllen
hat, hatten sich wesentlich verschoben, seitdem der kontinentale Schutz, den uns
unsere Armee sicherte, nicht mehr genügte, den heimischen Gewerbefleiß gegen
Störungen, Eingriffe und Angriffe von außen zu schirmen. Eine Kriegsflotte
mußte der Armee zur Seite treten, damit wir unserer nationalen Arbeit und ihrer
Früchte froh werden konnten.
Als im Frühjahr 1864 der englische Gesandte in Berlin den damaligen
1) Vgl. S. 151. Anm. 3 und S. 158. Anm. 1.