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„Freude und Genuß ist weder das Höchste im Leben des Menschen, noch des
Volkes, sondern die Freiheit, d. i. das Leben nach Gottes und der Vernunft Willen.“
Daraus das andere hervorgeht:
„Das Glück und die Größe eines Volkes besteht allein in der höchstmöglichen
Freiheit aller Bürger und der Gleichheit aller vor dem selbst oder durch Ver-
treter gegebenen Gesetz.“
Das dritte aber ist eine herzerhebende Überzeugung, die eigentlich jedem
wahrhaft großen Menschen angeboren ist:
„Ein für solches Gesetz und Vaterland streitendes Volk, ein begeistertes Volk kann
nicht besiegt werden, und stünden 100000 Perser gegen 10000 marathonische Helden.“
Das vierte gehört uns allein und ist das schönste von allen, das heißet:
„Deutsche sind wir insgesamt! Sachsen sind wenig, Bayern auch, Hessen nicht
mehr, Franken woll'n auch nicht viel sagen, Preußen sind auch zu bezwingen; aber
jenes herrliche Volk von der Weichsel bis zu den Vogesen, vom Nordmeer bis über
die Alpen und Karpathen, gleich durch Sprache, Sitten, Abkunft, einst auch Bürger
eines Reiches — ein einig Volk von Brüdern ist unbezwingbar.“
Ihr aber, Geister der Erschlagenen, seid uns Zeugen, Geister unserer großen
Bäter, schaut auf uns! Wir schwören, nimmer zu wanken, noch zu zittern,
schwören hier in düsterer Stunde Treue dem Vaterlande, Treue jeglichem Guten
und Schönen, Treue bis in den Tod
Seht, Brüder, die goldenen Sterne hie und da durch das Gewölk dringen!
Gott hört unseren Schwur .. ...
Vater im Himmel, du durchschaust unsere Herzen, du weißt, wie wir das
Gute wollen; gib, daß unser Volk uns nicht verkenne und wir das Gute unseres
Volkes nicht verkennen. Bald wird Deutschland seine Feste wieder feiern und
seine Toten ehren, einst auf vielleicht diesem Felde die Feuersäule fröhlich auf—
steigen zu dieser Stunde, und deutsches Volk aus Morgen und Abend sich hier
finden, ein einig Volk von Brüdern. Du gibst der Freiheit den Sieg, mein Herr
und Gott; denn dein ist die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.
Da begannen die Freunde einmütig zu singen: „Eine feste Burg ist unser
Gott usw.“
Das Lied war verhallt; einige verstreuten sich auf dem Schlachtfelde; schwei-
gend gingen die anderen Freunde heim..
So feierten wir das Oktoberfest im Jahre 1820.
8.
Die äußere Machtstellung Preußens nach 1815.
1824.
Quelle: Brief des Prinzen, späteren Kaisers Wilhelm an den General—
major Oldewig von Natzmer.)
Fundort: Erich Brandenburg, Briefe Kaiser Wilhelms I. Leipzig 1911. S. 18 und 19.
Berlin, 31. März 1824.
Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank, bester Natzmer, für Ihre beiden
lieben Schreiben. Was die äußere Lage unseres Staates betrifft, so muß ich
1) Natzmer war während der Befreiungskriege in nähere Beziehungen zum Prinzen
getreten und wurde von diesem stets zugleich als militärischer Lehrmeister und als per-
sönlicher Freund betrachtet.