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1. Deutschland beabsichtigt keinerlei Feindseligkeiten gegen Belgien. Ist
Belgien gewillt, in dem bevorstehenden Kriege Deutschland gegenüber eine wohl-
wollende Neutralität einzunehmen, so verpflichtet sich die deutsche Regierung, beim
Friedensschluß Besitzstand und Unabhängigkeit des Königreiches im vollen Umfang
zu garantieren.
2. Deutschland verpflichtet sich unter obiger Voraussetzung, das Gebiet des
Königreiches wieder zu räumen, sobald der Friede geschlossen ist.
3. Bei einer freundschaftlichen Haltung Belgiens ist Deutschland bereit, im
Einvernehmen mit den königlich belgischen Behörden alle Bedürfnisse seiner
Truppen gegen Barzahlung anzukaufen und jeden Schaden zu ersetzen, der etwa
durch deutsche Truppen verursacht werden könnte.
Sollte Belgien den deutschen Truppen feindlich entgegentreten, insbesondere
ihrem Vorgehen durch Widerstand der Maasbefestigungen oder durch Zerstörungen
von Eisenbahnen, Straßen, Tunneln oder sonstigen Kunstbauten Schwierigkeiten
bereiten, so wird Deutschland zu seinem Bedauern gezwungen sein, das Königreich
als Feind zu betrachten. In diesem Falle würde Deutschland dem Königreich gegen—
über keine Verpflichtungen übernehmen können, sondern müßte die spätere Regelung
des Verhältnisses beider Staaten zueinander der Entscheidung der Waffen überlassen.
Die Kaiserliche Regierung gibt sich der bestimmten Hoffnung hin, daß diese
Eventualität nicht eintreten und daß die Königliche belgische Regierung die ge—
eigneten Maßnahmen zu treffen wissen wird, um zu verhindern, daß Vor-
kommnisse, wie die vorstehend erwähnten, sich ereignen. In diesem Falle würden
die freundschaftlichen Bande, die beide Nachbarstaaten verbinden, eine weitere
und dauernde Festigung erfahren.
Euer Hochwohlgeboren wollen heute abend 8 Uhr der Königlich belgischen
Regierung hiervon streng vertraulich Mitteilung machen und sie um Erteilung
einer unzweideutigen Antwort binnen 12 Stunden, also bis morgen früh 8 Uhr
ersuchen. Von der Aufnahme, welche Ihre Eröffnungen dort finden werden, und
der definitiven Antwort der Königlich belgischen Regierung wollen Euer Hoch-
wohlgeboren mir umgehend telegraphische Meldung zugehen lassen.
gez. Jagow.
110.
Das Verhalten Italiens.
Quelle: Telegramm des Königs von Italien an Kaiser Franz Joseph
vom 2. August 1914.
Fundort: Kriegs-Rundschau. S. 743 und 744.
Ich habe das Telegramm Eurer Majestät erhalten. Ich brauche nicht zu ver-
sichern, daß Italien, welches alle nur möglichen Anstrengungen unternommen hat,
um die Aufrechterhaltung des Friedens zu sichern, und alles, was in seiner Macht
liegt, tun wird, um möglichst bald an einer Wiederherstellung des Friedens mit-
zuhelfen, gegenüber seinen Verbündeten eine herzlich freundschaftliche Haltung be-
wahren wird entsprechend dem Dreibundvertrage und seinen aufrichtigen Ge-
fühlen und den großen Interessen, die es wahren muß.