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die alle die vorhin verlesenen Gesetzentwürfe en bloe annehmen wollen, sich von
den Plätzen erheben.
Das Haus erhebt sich einmütig. (Stürmisches, minutenlanges Beifallsklatschen im
ganzen Hause, auf den Bänken des Bundesrats und auf sämtlichen Tribünen.).
JIch konstatiere die einstimmige Annahme der Vorlage. (Erneuter Beifall.)
Präsident Dr Kaempf: Unsere Tagesordnung ist erledigt und damit unsere
Arbeit beendet. Sie haben mit der Schnelligkeit, die der Ernst der Lage er-
fordert, die Gesetze, die dazu bestimmt sind, für den Krieg und für das wirt-
schaftliche Leben während des Krieges die nötigen Sicherungen zu schaffen, er-
ledigt. Viele von unseren Kollegen ziehen mit hinaus in den Kampf um die
Ehre des Vaterlandes. Unter uns ist keiner, der nicht von einem oder mehreren
seiner oder anderer Familienangehörigen Abschied nehmen muß. Unsere wärmsten
und innigsten Segenswünsche begleiten sie alle auf dem Wege zu dem schweren,
aber ehrenvollen heißen Kampf. (Beifall.) Unsere Segenswünsche begleiten unser
ganzes Heer und unsere ganze Marine. (Beifall.) Wir sind des felsenfesten Ver-
trauens, daß die Schlachtfelder, die mit dem Blut unserer Helden getränkt werden,
eine Saat hervorbringen werden, die dazu berufen ist, eine Frucht zu tragen, so
schön, wie wir sie nur denken können, die Frucht neuer Blüte, neuer Wohltaten,
neuer Macht des deutschen Vaterlandes. (Stürmischer Beifall im ganzen Hause und
auf den Tribünen.)
Reichskanzler von Bethmann Hollweg: Meine Herren! Am Schlusse dieser
schweren, aber ernsten Tagung ein kurzes Wort: Nicht das Gewicht dieser Be-
schlüsse gibt dieser Tagung ihre Bedeutung, sondern der Geist, aus dem heraus
sie gefaßt sind. Der Geist der Einheit Deutschlands, des unbedingten rückhaltlosen
gegenseitigen Vertrauens auf Leben und Tod (stürmischer Beifall), was uns
auch beschieden sein mag. Der 4. August 1914 wird bis in alle Ewigkeit hinein
einer der größten Tage in der deutschen Geschichte sein. (Stürmischer Beifall.)
Se. Majestät der Kaiser und seine hohen Verbündeten haben mir den Auftrag ge-
geben, dem Reichstage zu danken.
114.
Englands Kriegserklärung.
4. August 1914.
Quelle: Amtliche Mitteilung vom 5. August 1914.
Fundort: Kriegsdepeschen. Bd. 1. S. 32.
Gestern nachmittag kurz nach der Rede des Reichskanzlers, in der bereits der
durch das Betreten belgischen Gebietes begangene Verstoß gegen das Völkerrecht
freimütig anerkannt und der Wille des Deutschen Reiches, die Folgen wieder gut-
zumachen, erklärt war, erschien der großbritannische Botschafter Sir Edward
Goschen im Reichstag, um dem Staatssekretär von Jagow eine Mitteilung seiner
Regierung zu machen. In dieser wurde die deutsche Regierung um alsbaldige
Antwort auf die Frage ersucht, ob sie die Versicherung abgeben könne, daß keine
Verletzung der belgischen Neutralität stattfinden würde. Der Staatssekretär
von Jagow erwiderte sofort, daß dies nicht möglich sei, und setzte nochmals die
Gründe auseinander, die Deutschland zwingen, sich gegen einen Einfall einer fran-
zösischen Armee durch Betreten belgischen Bodens zu sichern. Kurz nach 7 Uhr
erschien der großbritannische Botschafter im Auswärtigen Amt, um den Krieg zu
erklären und seine Pässe zu fordern.
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. III. 13