— 211 —
in die Erde eingebaut. Überall stehen dichte Drahthindernisse vor der Front, oft
versenkt und in zwei bis drei Reihen hintereinander. Vorspringende Bastionen,
bequeme und sichere Beobachtungsstände leiten zum Festungscharakter über. Das
Gelände ist stark hügelig, hier und da bergig mit weit überragenden Höhen und
steilen Abhängen. Von den zahlreichen Wäldern haben die Russen einen erheblichen
Teil niedergelegt, um freiere Übersicht und weiteres Schußfeld zu erhalten. Eine
solche Front in ganzer Breite frontal anzugreifen, ist unmöglich. Eine Umfassung
des Gegners war ausgeschlossen, da sich die deutschen und die russischen Linien
ununterbrochen nahe gegenüberlagen.
General von Gallwitz entschloß sich zum Durchbruch an zwei Stellen, die so
nahe aneinanderliegen, daß die hier gelingenden Vorstöße ihre Wirkung sofort auf
das Mittelstück und weiter auch nach rechts und links ausüben mußten. Als An—
griffspunkte wählte er die vorspringenden Winkel der russischen vordersten Stellung
nordwestlich und nordöstlich von Przasznysz. Diese vielumstrittene Stadt, deren
Umgebung solche Mengen russischen und deutschen Blutes getrunken hat, und die
selbst dabei zum Trümmerhaufen geworden ist, hatten die Russen durch einen
Gürtel von starken Feldwerken zu einer Festung ausgebaut. Sie sollte diesmal
gar nicht angegriffen werden, sondern als Siegespreis den zur Rechten und zur
Linken stürmenden Truppen in den Schoß fallen. Dieser Plan ist in vollem Um—
fang geglückt: Wie die Schneiden einer gewaltigen Kneifzange durchbrachen die
tapferen deutschen Truppen die feindliche Linie zu beiden Seiten von Przasnysz
und schlossen sich unaufhaltsam jenseit der Stadt zusammen
Der Morgen des 13. Juli weckte die Russen unsanft aus ihrem Sicherheits-
gefühle. Die Sonne war kaum aufgegangen, als aus Hunderten von Feuer-
schlünden die Geschosse leichten, schweren und schwersten Kalibers auf die russischen
Stellungen herniedersausten. Es war eine Kanonade, die schon auf die deutschen
Truppen einen tiefen Eindruck machte, die russischen aber völlig um die Be-
sinnung brachte. Trotz des unklaren regnerischen Wetters schoß unsere Artillerie
ausgezeichnet. Den Schützen in so starken Feldstellungen ist ja nur durch Voll-
treffer größerer Kaliber beizukommen. Hageldicht schlugen diese kurz vor und
hinter den russischen Linien ein, oft genug auch unmittelbar in die Deckungen.
Wurde dadurch auch nur ein kleiner Teil der Feinde getötet, so war die moralische
Wirkung um so gewaltiger. Gefangene haben erzählt, daß in diesem Höllenfeuer
jeder Zusammenhalt in der Truppe aufhörte. Hieraus, wie aus der überraschenden
Wirkung des ganzen Angriffes ist es zu erklären, daß unsere Infanterie bei der
Erstürmung der ersten russischen Stellung wenig Aufenthalt und verhältnismäßig
wenig Verluste hatte. Auf 8 Uhr morgens war für einen großen Teil der Truppen
der Angriff festgesetzt, für einen anderen etwas später, und schon eine Viertel-
stunde danach, stellenweise sogar vor der anberaumten Zeit, war der Erfolg ge-
sichert. Die deutsche Infanterie ließ sich in ihrem frischen Vorwärtsdrang um so
weniger aufhalten, als sie die gewaltige Wirkung des Artilleriefeuers erkannte und
Scharen von waffenlosen Russen herankommen sah, die nur noch in der Gefangen-
schaft Rettung vor den schrecklichen Granaten suchten .. Im Laufe des Vor-
mittags brach die Sonne durch und beschien die siegesfroh vorwärtseilenden
deutschen Truppen. Die zogen über die drohenden Höhen hinweg, die vor ihnen
lagen, und ließen dem Feinde kaum irgendwo Zeit, sich in der starken zweiten
Verteidigungslinie festzusetzen. So fielen manche sorgfältig vorbereiteten hervor-
ragenden Stellungen fast ohne Kampf in unsere Hände. Am selben Tage noch
14