Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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kamen die unermüdlichen Kämpfer bis zur nächsten Linie, ja stürmten sie zum 
Teil schon in der Nacht . . . Mehr als man hoffen durfte, hatten mit einem 
Schlage die Treffsicherheit der Artillerie und der Ungestüm der Infanterie er— 
reicht: Binnen 24 Stunden war Przasnysz von beiden Seiten flankiert und nicht 
mehr zu halten. 
Am 14. Juli ging fast ununterbrochen ein feiner Regen nieder. Der Durchzug 
durch das ausgebrannte, völlig menschenleere Przasnysz war melancholisch genug, 
aber unsere Soldaten klappten wohlgemut die Zange zu und vereinigten sich südlich 
davon zu einer Ramme, die nun die neue feindliche Stellung, die letzte geschlossene 
vor der Narewlinie, mitten entzweibrach. Die Russen hatten alle Zwischenlinien 
aufgegeben und schleunigst die seit Monaten vorbereitete, außerordentlich starke 
Verteidigungsstellung Wysogrod-Cichanow-Zielona-Szczuli-Krasnosielc besetzt, die 
wieder aus mehreren Reihen hintereinander bestand. Unsere Truppen mochten 
zunächst im Zweifel sein, ob sie hier noch stärkeren Widerstand zu erwarten 
hätten. 
Der 15. Juli gab eine ernste Antwort. Als nach kräftiger Artillerievorbereitung 
die Schützenlinien vorzugehen begannen, empfing sie überall ein heftiges Gewehr- 
und Maschinengewehrfeuer. Der Feind setzte offenbar alles daran, das letzte Boll- 
werk bis zum äußersten zu verteidigen. So ging es an den meisten Stellen nur 
langsam vorwärts, und öfters mußte die für das Wirkungsschießen der Artillerie 
angesetzte Zeit verlängert werden. Trotz des hellen, sonnigen Wetters, das eine 
gute Beobachtung zuließ, war der Erfolg nicht mehr so durchschlagend wie am 
ersten Tage Punkt 2 Uhr trat man zum Sturm an. Es war ein gewagtes 
Unternehmen, diesen Stoß ohne die heranbeorderten Verstärkungen zu unter- 
nehmen. Sein Gelingen ist dem hervorragenden Zusammenwirken von Infanterie 
und schwerer Artillerie zu verdanken. Im vollen Vertrauen auf die Trefsfsicherheit 
der „schwarzen“ Brüder sprangen die Schützen durch das hohe Kornfeld vor, sobald 
eine Lage Granaten vor ihnen eingeschlagen war. Durch verabredete Zeichen gaben 
sie ihre neue Linie zu erkennen. Dann legte die Artillerie ihre Geschoßgarbe 
100 Meter weiter vorwärts, und unter ihrem Schirm stürzten jene in die frischen 
Granatlöcher. So ging es ununterbrochen vorwärts. Weder das russische Schnell- 
feuer, noch das doppelte Drahthindernis vermochte den Sturm aufzuhalten. Als 
das deutsche Hurra rollte, liefen die Russen, verblüfft durch solche Elementar- 
gewalt, in hellen Haufen davon. Um 2½ Uhr erhielt der Divisionsstab vom 
linken Flügel die Fernsprechmeldung: Die feindliche Stellung ist genommen, und 
kaum war der Apparat frei, so traf vom rechten Flügel dieselbe Nachricht ein. 
Die Wirkung dieses ersten Durchbruchs durch die russische Hauptstellung pflanzte 
sich im Laufe des Nachmittags und der Nacht über die ganze Front hin fort. 
Neue Kräfte wurden in die Bresche geworfen und halfen sie erweitern .. Auch 
einzelne rückwärtige Zwischenstellungen des Feindes fielen bald unter den Stößen 
unserer siegesfroh vorwärtseilenden Truppen, die erst vor der befestigten Narewlinie 
Halt machten . . . An dem schönen Erfolge haben naturgemäß auch die Truppen- 
teile, die zur Seite der mittleren Stoßkolonnen vorgingen, ihren erheblichen An- 
teil .. Die Aufmerksamkeit auch späterer Zeiten wird aber doch in erster Linie 
sich auf das Mittel- und Hauptstück dieser groß= und eigenartig von General 
von Gallwitz angelegten Offensive richten: auf die Zange von Przasnysz und den 
Rammstoß von Zielona.
	        
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