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126.
Italiens Verrat.
1. Quelle: Kundgebung des Kaisers Franz Joseph vom 23. Mai 1915.
Fundort: Kriegsrundschau. S. 742 und 743.
An meine Völker!
Der König von Italien hat mir den Krieg erklärt.
Ein Treubruch, dessengleichen die Geschichte nicht kennt, ist von dem König-
reich Italien an seinen beiden Verbündeten begangen worden.
Nach einem Bündnis von mehr als dreißigjähriger Dauer, während dessen es
seinen territorialen Besitz mehren und sich zu ungeahnter Blüte entfalten konnte,
hat uns Italien in der Stunde der Gefahr verlassen und ist mit fliegenden Fahnen
in das Lager unserer Feinde übergegangen. ·
Wir haben Italien nicht bedroht, sein Ansehen nicht geschmälert, seine Ehre
und seine Interessen nicht angetastet; wir haben unseren Bündnispflichten stets
getreu entsprochen und ihm unseren Schirm gewährt, als es ins Feld zog; wir
haben mehr getan: als Italien seine begehrlichen Blicke über unsere Grenzen
sandte, waren wir, um das Bündnisverhältnis und den Frieden zu erhalten, zu
großen und schmerzlichen Opfern entschlossen, zu Opfern, die unserem väterlichen
Herzen besonders nahegingen.
Aber Italiens Begehrlichkeit, das den Moment nützen zu sollen glaubte, war
nicht zu stillen, und so muß sich das Schicksal vollziehen.
Dem mächtigen Feinde im Norden haben in zehnmonatigem gigantischen
Ringen und in treuester Waffenbrüderschaft mit dem Heere meines erlauchten Ver-
bündeten meine Armeen siegreich standgehalten.
Der neue heimtückische Feind im Süden ist ihnen kein neuer Gegner.
Die großen Erinnerungen an Novarra, Mortara, Custozza und Lissa, die den
Stolz meiner Jugend bilden, und der Geist Radetzkys, Erzherzog Albrechts und
Tegethoffs, der in meiner Land= und Seemacht fortlebt, bürgen mir dafür, daß wir
auch gegen Süden hin die Grenzen der Monarchie erfolgreich verteidigen werden.
Ich grüße meine kampfbewährten, siegerprobten Truppen.
Ich vertraue auf sie und ihre Führer!
Ich vertraue auf meine Völker, deren beispiellosem Opfermute mein innigster
väterlicher Dank gebührt.
Den Allmächtigen bitte ich, daß er unsere Fahnen segnen und unsere gerechte
Sache in seine gnädige Obhut nehme. Franz Joseph.
2. Quelle: Die Reichstagsrede des Reichskanzlers von Bethmann Holl-
weg vom 28. Mai 1915.
Fundort: Kriegsrundschau. S. 745—748.
Als ich vor acht Tagen zu Ihnen sprach, bestand noch ein Schimmer von
Hoffnung, daß das Losschlagen Italiens vereitelt werden könne. Die Hoffnung hat
getrogen. Das deutsche Empfinden sträubte sich, an die Möglichkeit einer solchen
Wendung zu glauben. Jetzt hat die italienische Regierung selbst diesen Treubruch
mit blutigen Lettern unvergänglich in das Buch der Weltgeschichte eingeschrieben.
(Allseitiges Sehr richtigl) Ich glaube, es war Machhiavelli, der einmal gesagt
hat, jeder Krieg, der notwendig sei, sei auch gerecht. War von diesem nüchtern