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viele Pontons, von Schüssen durchbohrt, kenterten oder auf Minen liefen, trotzdem
die Strömung manches Fahrzeug mit sich riß trotzdem durch Handgranaten und
Maschinengewehrfeuer große Lücken in die Reihen gerissen wurden, die braven
Mannschaften ließen sich nicht aufhalten; sie drangen vorwärts und entrissen im
Bajonettkampf dem Feinde Schritt für Schritt. Die Verbindung zum nördlichen
Ufer war abgerissen, da sämtliche llersetzgelegenheiten zerstört, die sie bedienenden
Pioniere außer Gefecht gesetzt waren. Sechs Kompagnien aber hielten gegen
starke Uberlegenheit im heldenhaften Kampfe eine notdürftig mit dem Spaten ge-
schaffene uneinnehmbare Stellung. Der Abend brachte Verstärkungen, und bis
zum frühen Morgen des 7. war das östliche Drittel der Großen Zigeunerinsel in
deutschem Besitz.
Unverzüglich wurde der Ubergang auf serbisches Festland jetzt fortgesetzt; das
Säubern der Insel von dem noch haltenden Feind war nunmehr in zweite Linie
gerückt; der Vormarsch zu den die Stadt beherrschenden Höhen war in den Vorder-
grund getreten. Aber auch dieser Weg mußte den sich zäh verteidigenden Serben
mit Blut entrissen werden. Auch hier waren es wieder die schweren Kaliber, die
der Infanterie den Weg zum Siege ebneten. Ihre verheerende Wirkung war den
Serben bis dahin nicht bekannt. Am Abend des 8. stand die Infanterie eines
deutschen Armeekorps auf den Topcider-Höhen und besiegelte damit den Fall der
Stadt Belgrad. Dort kämpften österreichisch-ungarische Truppen am Nordrand um
die Zitadelle einen erbitterten Straßen= und Häuserkampf. Eine von Topcider aus
zur Verbindung mit den Verbündeten entsandte deutsche Abteilung erreichte am
frühen Morgen die Mitte der Stadt. Ihr Führer war jener Hauptmann, der in
den Augusttagen in Südpolen als erster mit seiner Truppe eines der Westwerke
von Brest-Litowsk erstiegen hatte. Er erstürmte am 9. Oktober bei Tagesanbruch
das serbische Königsschloß, das noch vom Feinde besetzt gehalten wurde, und hißte
auf ihm die deutsche Flagge. Gleichzeitig hatten sich die Verbündeten den Zugang
zum Kalimegdan erkämpft und die Zitadelle mit der österreichischen Kaiserstandarte
gekrönt. Um dem Druck der Umfassung zu weichen, hatten die Serben Hals über
Kopf ihre Hauptstadt geräumt.
128.
Warum sich Bulgarien den Mittelmächten auschloß.
Quelle: Bulgarische Denkschriftt).
Ülbersetzung: Hannoverscher Kurier vom 9. Oktober 1915 (Abendausgabe). Nr. 32016.
Wir können bestimmt behaupten, daß zur Vermeidung eines unerhörten wirt-
schaftlichen Zusammenbruches, zur Erhaltung unserer wirtschaftlichen Kraft und um
die Möglichkeit zu haben, uns weiter aufzuschwingen und unsere Landwirtschaft,
unseren Handel, unsere Industrie, unser Gewerbe usw. weiter zu entwickeln, wir
unbedingt eine Politik führen müssen, die sich mit den Interessen Deutschlands,
Osterreich-Ungarns und der Türkei vereinbaren läßt. Nur diese Länder konsumieren
1) Die Entscheidung der bulgarischen Regierung ist von ihr selbst in einer aus-
gezeichneten Denkschrift dem Volke mitgeteilt und in ihren Beweggründen erläutert
worden. Diese Denkschrift wurde in 20000 Exemplaren an die bulgarischen Gemeinden
verteilt. Daß man das damit erstrebte Ziel erreichte, zeigte sich bei der Mobilmachung,
bei der alle — Bürger und Bauern, Arbeiter und Studenten — freudig dem Rufe des
Königs folgten.