— 222 —
diejenigen unserer Erzeugnisse, die wir nirgendwo anders absetzen können, und
durch deren Herstellung allein wir ein kräftiger, wirtschaftlich selbständiger Staat
werden können. Politisch selbständig aber kann nur derjenige Staat sein, der
wirtschaftlich stark und selbständig ist.
Außerdem zeigt uns die neueste Geschichte während der letzten zwei Jahre,
daß tatsächlich Deutschland und Osterreich-Ungarn unsere wirtschaftliche Entwicklung
und Festigung wünschen. Indem wir die Frage nicht weiter erörtern wollen, daß
unserer Ausfuhr und unserer Durchfuhr diese Länder keine Schwierigkeiten be—
reiten, wollen wir nur noch die Frage der letzten Anleihen erwähnen. Als wir
nach dem Kriege zwar „erniedrigt“, aber nicht „vernichtet“ dastanden!), hat sich
Frankreich kategorisch geweigert, uns eine Anleihe zu geben, wenn wir den
Bukarester Vertrag nicht anerkennen und einer selbständigen Politik nicht entsagen
und uns nicht ganz der seinerzeitigen Tripleentente in die Arme werfen, welche
über uns nach Belieben verfügen wollte. Unsere Russenfreunde waren damals wie
rasend und forderten unbedingt die Annahme dieser Bedingungen. Jetzt können
wir sehen und erwägen, wie teuflisch diese Vorschläge und Pläne gewesen sind
und wie Bulgarien ein Spielzeug in den Händen Rußlands und Frankreichs ge-
worden und von der Erdfläche verschwunden wäre. In diesen für Bulgarien
schweren Stunden ist ihm Deutschland zu Hilfe gekommen und hat ihm die ver-
langte Anleihe ohne irgendwelche politischen Verpflichtungen gegeben ... Nur die
verblendetsten Russophilen in Bulgarien, die Rußland mehr als Bulgarien lieben
und die aus Bulgarien ein russisches Gouvernement machen wollen, wollen die
Vorteile dieser Anleihe nicht anerkennen, die unter Vorbehaltung der vollen Ent-
schlußfreiheit von bulgarischer Seite abgeschlossen wurde. Aber jeder unparteiische
Bulgare hat die Pflicht, es einzugestehen, daß durch diese Anleihe Deutschland
uns vor dem Bankerott, sowie vor der politischen Unterwerfung bewahrt hat .
Der Krieg hat gezeigt, wie groß die wirtschaftliche Macht Deutschlands und sogar
Osterreich-Ungarns ist. Wenn diese Staaten es daher wollen, haben sie immer die
volle Möglichkeit, uns wertvoll zu unterstützen. Sie haben es bis jetzt getan, und
wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln, daß sie uns in Zukunft auch unter-
stützen werden. Im Gegenteil, aus den bisher gegebenen Erklärungen deutscher
Zeitungen und deutscher Staatsmänner können wir mit voller Zuversicht auf die
deutsche finanzielle Hilfe rechnen.
Als wir bereits diese Zeilen geschrieben hatten, erhielten wir die Mitteilung,
daß Deutschland uns wieder eine Anleihe von 125 Millionen Lewa zur Tilgung
von schwebenden Schulden ohne jede politische Bedingungen gemacht hat.
Aus dieser kurzen Darstellung geht deutlich hervor, daß wir aus volkswirt-
schaftlichen Gründen unbedingt mit Deutschland und seinen Verbündeten gehen
müssen, weil nur diese Staaten uns wirtschaftlich emporbringen können, und weil
wir ohne deren Unterstützung der wirtschaftlichen Vernichtung preisgegeben sind.
Unser größter Feind ist heute Serbien. Es fragt sich nun, wie kommt Serbien
zu der Kühnheit, sich so feindselig gegen Bulgarien zu benehmen? Die Antwort
ist klar: durch Rußland, welches um jeden Preis ein „Großserbien“ errichten will,
das Bulgarien vernichten soll, und ihm, Rußland, gleichzeitig helfen soll, Kon-
stantinopel und die Meerengen zu erobern. Wir kennen nicht den Wortlaut der
1) Die in Anführungszeichen gesetzten Ausdrücke enthalten Anspielungen auf ent-
sprechende Bemerkungen des russischen Ministers des Auswärtigen, die in der bulgarischen
Presse oft besprochen wurden.