Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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diejenigen unserer Erzeugnisse, die wir nirgendwo anders absetzen können, und 
durch deren Herstellung allein wir ein kräftiger, wirtschaftlich selbständiger Staat 
werden können. Politisch selbständig aber kann nur derjenige Staat sein, der 
wirtschaftlich stark und selbständig ist. 
Außerdem zeigt uns die neueste Geschichte während der letzten zwei Jahre, 
daß tatsächlich Deutschland und Osterreich-Ungarn unsere wirtschaftliche Entwicklung 
und Festigung wünschen. Indem wir die Frage nicht weiter erörtern wollen, daß 
unserer Ausfuhr und unserer Durchfuhr diese Länder keine Schwierigkeiten be— 
reiten, wollen wir nur noch die Frage der letzten Anleihen erwähnen. Als wir 
nach dem Kriege zwar „erniedrigt“, aber nicht „vernichtet“ dastanden!), hat sich 
Frankreich kategorisch geweigert, uns eine Anleihe zu geben, wenn wir den 
Bukarester Vertrag nicht anerkennen und einer selbständigen Politik nicht entsagen 
und uns nicht ganz der seinerzeitigen Tripleentente in die Arme werfen, welche 
über uns nach Belieben verfügen wollte. Unsere Russenfreunde waren damals wie 
rasend und forderten unbedingt die Annahme dieser Bedingungen. Jetzt können 
wir sehen und erwägen, wie teuflisch diese Vorschläge und Pläne gewesen sind 
und wie Bulgarien ein Spielzeug in den Händen Rußlands und Frankreichs ge- 
worden und von der Erdfläche verschwunden wäre. In diesen für Bulgarien 
schweren Stunden ist ihm Deutschland zu Hilfe gekommen und hat ihm die ver- 
langte Anleihe ohne irgendwelche politischen Verpflichtungen gegeben ... Nur die 
verblendetsten Russophilen in Bulgarien, die Rußland mehr als Bulgarien lieben 
und die aus Bulgarien ein russisches Gouvernement machen wollen, wollen die 
Vorteile dieser Anleihe nicht anerkennen, die unter Vorbehaltung der vollen Ent- 
schlußfreiheit von bulgarischer Seite abgeschlossen wurde. Aber jeder unparteiische 
Bulgare hat die Pflicht, es einzugestehen, daß durch diese Anleihe Deutschland 
uns vor dem Bankerott, sowie vor der politischen Unterwerfung bewahrt hat . 
Der Krieg hat gezeigt, wie groß die wirtschaftliche Macht Deutschlands und sogar 
Osterreich-Ungarns ist. Wenn diese Staaten es daher wollen, haben sie immer die 
volle Möglichkeit, uns wertvoll zu unterstützen. Sie haben es bis jetzt getan, und 
wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln, daß sie uns in Zukunft auch unter- 
stützen werden. Im Gegenteil, aus den bisher gegebenen Erklärungen deutscher 
Zeitungen und deutscher Staatsmänner können wir mit voller Zuversicht auf die 
deutsche finanzielle Hilfe rechnen. 
Als wir bereits diese Zeilen geschrieben hatten, erhielten wir die Mitteilung, 
daß Deutschland uns wieder eine Anleihe von 125 Millionen Lewa zur Tilgung 
von schwebenden Schulden ohne jede politische Bedingungen gemacht hat. 
Aus dieser kurzen Darstellung geht deutlich hervor, daß wir aus volkswirt- 
schaftlichen Gründen unbedingt mit Deutschland und seinen Verbündeten gehen 
müssen, weil nur diese Staaten uns wirtschaftlich emporbringen können, und weil 
wir ohne deren Unterstützung der wirtschaftlichen Vernichtung preisgegeben sind. 
Unser größter Feind ist heute Serbien. Es fragt sich nun, wie kommt Serbien 
zu der Kühnheit, sich so feindselig gegen Bulgarien zu benehmen? Die Antwort 
ist klar: durch Rußland, welches um jeden Preis ein „Großserbien“ errichten will, 
das Bulgarien vernichten soll, und ihm, Rußland, gleichzeitig helfen soll, Kon- 
stantinopel und die Meerengen zu erobern. Wir kennen nicht den Wortlaut der 
1) Die in Anführungszeichen gesetzten Ausdrücke enthalten Anspielungen auf ent- 
sprechende Bemerkungen des russischen Ministers des Auswärtigen, die in der bulgarischen 
Presse oft besprochen wurden.
	        
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