— 226 —
Maaslinie. Für die östlich der Maas zum Vorstoß nach Nordosten bereitzustellenden
Truppenmassen bot der Befestigungsring von Verdun in der Ausdehnung, wie er
bis zum Februar 1916 bestand, ein vortreffliches Aufmarschgelände mit einem
vorzüglich ausgestalteten Straßen- und Eisenbahnnetz, einer Menge geräumiger
Kasernen, Lebensmittellager, kurz mit allen denjenigen Anlagen, welche zu einer
Operationsbasis größten Stils gehören. Mit einem Worte: Verdun war das Aus-
fallstor Frankreichs gegen Mitteldeutschland.
Dieses Ausfalltor zu schließen, war uns bis zum Frühjahr 1916 unmöglich
gewesen. Der Zweifrontenkrieg hatte wesentliche Teile unserer Streitkräfte auf
dem russischen und auf dem Balkankriegsschauplatz gefesselt gehalten. Erst als diese
Kräfte durch den zeitweiligen Abschluß des russischen und des Balkanfeldzuges frei-
geworden waren, konnte an die Niederkämpfung Verduns herangegangen werden
mit dem strategischen Ziele: die Ausfallspforte Frankreichs zunächst einmal von
deutscher Seite aus zu verrammeln und im weiteren Verlaufe der Kriegshand-
lungen sie nach Frankreich zu einzustoßen.
130.
Verdun und Somme.
Quelle: Amtliche Darstellung aus dem Großen Hauptquartier.
Fundort: Hannoverscher Kurier vom 25. August 1916 (Abendausgabe). Nr. 32630.
Ein Vergleich der Schlacht an der Somme und der Kämpfe bei Verdun
drängt sich auf.
Bei Verdun sind wir die Angreifer; in der Picardie befinden wir uns in der
Abwehr. Aber die Verteidigung Verduns, auf deren Hartnäckigkeit die Franzosen
so stolz sind, und von der sie in aller Welt so viel Wesens zu machen verstehen,
stützt sich auf den wuchtigen Rückhalt der stärksten Festung Frankreichs, ihren
doppelten Fortgürtel und ein kunstvoll ausgebautes Verbindungsnetz von Feld-
befestigungen. Schon das Angriffsgelände an sich bietet durch sein starkes An-
steigen und die tiefen Einschnitte, die es durchziehen, die überragenden Kuppen, die
es schützen, dem Angreifer ungleich viel höhere Schwierigkeiten, als die leicht ge-
wellte Ebene der Picardie. Unseren Kämpfern an der Somme stand nur ein
schmaler Gürtel von Schützengräben zur Verfügung, deren vorderste Linie, als sie
dem Erdboden gleichgemacht war, von der ungeheuren feindlichen Übermacht nach
siebentägigem Trommelfeuer im ersten Anlauf stellenweise überrannt und damit
für die Verteidigung vielfach ausgeschaltet werden konnte.
Was aber das Stärkeverhältnis anlangt, so ist es bekannt, daß bei Verdun
die Franzosen uns in einer überlegenheit gegenüberstanden, die an Infanterie sich
zu unserer Stärke wie 2:1 verhält. Dabei waren wir dort in der Rolle der An-
greifer! An der Somme aber stellt sich das Zahlenverhältnis jedenfalls noch weit
ungünstiger für uns. Und trotzdem ist der Geländegewinn unserer Feinde im
ersten Monat ihrer Offensive noch nicht halb so groß als der unfrige im ersten
Monat vor Verdun! (UÜbrigens mag darauf hingewiesen werden, daß der Gelände-
gewinn, den die Franzosen erzielen konnten, fast doppelt so groß ist als derjenige
der Engländer, während die Verluste der ersteren etwa halb so groß sind als die
der letzteren.) «
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. III. 1