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Tribüne waren die eingeladenen Repräsentanten hiesiger Behörden und andere
ausgezeichnete Gäste versammelt. Auch der würdige Chef unserer Kreisregierung,
von Stichauer, war von Ansbach herübergekommen; Bürgermeister Binder hielt
die Festrede, die sehr angemessen auf die Bedeutung des Unternehmens hinwies,
sofern unsere Eisenbahn als Anfangs- und Mittelpunkt eines Eisenbahnsystems zu
betrachten sei, das sich dereinst über Bayern, ja über ganz Deutschland zu er—
strecken habe. — Als darauf auch der, nach einer Heideloffschen Zeichnung ge—
fertigte, sehr einfache Denkstein mit der einfachen Inschrift: „Deutschlands erste
Eisenbahn mit Dampfkraft. 1835“ enthüllt war, wurde Sr. Majestät dem Könige
ein Lebehoch gebracht. — Hierauf begann die erste Fahrt in dem mit Fahnen ge-
schmückten Wagen; ein Kanonenschuß verkündete den Abgang des ersten Zuges.
Alle neun Wagen waren angefüllt und mochten etwa 200 Personen fassen.
Der Wagenlenker ließ die Kraft des Dampfes nach und nach in Wirksamkeit
treten. Aus dem Schlot fuhren nun die Dampfwolken in gewaltigen Stößen, die
sich mit dem schnaubenden Ausatmen eines riesenhaften antediluvianischen Stieres
vergleichen lassen. Die Wagen waren dicht aneinander gekettet und fingen an,
sich langsam zu bewegen; bald aber wiederholten sich die Ausatmungen des
Schlotes immer schneller, und die Wagen rollten dahin, daß sie in wenigen Augen-
blicken den Augen der Nachschauenden entschwunden waren. Auch die Dampf-
wolke, welche lange noch den Weg, den jene genommen, bezeichnete, sank immer
tiefer, bis sie auf dem Boden zu ruhen schien; die erste Festfahrt war in neun
Minuten vollendet, und somit eine Strecke von 20000 Fuß (6 km) zurückgelegt.
Die Fahrt wurde an diesem Tage noch zweimal wiederholt. Das zweite Mal bin
auch ich mitgefahren, und ich kann versichern, daß die Bewegung durchaus an-
genehm, ja wohltuend ist. Wer zum Schwindel geneigt ist, muß es freilich ver-
meiden, die vorüberfliegenden, nähergelegenen Gegenstände ins Auge zu fassen.
Von Erschütterung ist nur so viel zu verspüren, als erforderlich ist, um die Eisen-
bahnfahrt nicht mit einer Schlittenfahrt zu verwechseln, obschon die Empfindung
der ähnlich ist, welche das Fahren in einem gut geführten Stoßschlitten auf glatter
Eisbahn verursacht. Daß man ohne Zittern während des Fahrens schreiben
könne, wie ein Korrespondent neulich bemerkt hat, habe ich mit mehreren meiner
Nachbarn nicht bestätigt gefunden, obgleich man mit Bequemlichkeit sich etwas
notieren kann während der Fahrt.
Es war eine unermeßliche Menschenmenge vorhanden, und sie jauchzte und
jubelte zum Teil den Vorüberfahrenden zu; in der Tat, es gewährt der Anblick
des vorüberdrängenden Wagenzuges fast ein größeres Vergnügen, als das Selbst-
fahren. Wenigstens drängt sich uns das Gefühl der gewaltigen, wundersam
wirkenden Kraft bei jenem Anblick weit mehr auf; es imponiert, wenn man den
Wagenzug mit seinen 200 Personen wie von selbst, wenn auch nicht pfeilgeschwind,
doch gegen alle bisherige Erfahrung schnell, unaufhaltsam heran, vorüber und in
die Ferne dringen sieht. Das Schnauben und Qualmen des ausgestoßenen
Dampfes, der sich sogleich als Wolke in die Höhe zieht, verfehlt auch seine
Wirkung nicht. Pferde auf der nahen Chaussee sind daher beim Herannahen des
Ungetüms scheu geworden; Kinder haben zu weinen angefangen, und manche
Menschen, die nicht alle zu den ungebildeten gerechnet werden dürfen, haben ein
leises Beben nicht unterdrücken können. Ja, es möchte wohl keiner, der nicht völlig
phantasielos ist, ganz ruhigen Gemütes und ohne Staunen beim ersten Anblick des
wunderwürdigen Phänomens geblieben sein. Diesem Staunen folgt dann ein,