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werden könnten, Deutschland aber vernichtet Menschenleben, die unersetzlich sind.
Nun, meine Herren, warum kamen bei den Engländern amerikanische Menschenleben
nicht in Gefahr? Doch nur, weil sich die neutralen Länder und insonderheit
Amerika freiwillig den Anordnungen Englands fügten, und weil England so der
Notwendigkeit überhoben war, seinen Zweck durch Anwendung von Gewalt zu
erreichen. Was wäre wohl geschehen, wenn die Amerikaner auf den ungehinderten
Passagier= und Güterverkehr mit Hamburg und Bremen den gleichen Wert gelegt
hätten, wie auf den mit London und Liverpool? Haätten sie es getan, meine
Herren, so wären wir von dem peinlichen Eindruck befreit gewesen, daß nach
amerikanischer Auffassung eine Unterwerfung unter englische Macht und Kontrolle
mit dem Wesen der Neutralität vereinbar, eine Anerkennung deutscher Abwehr-
maßregeln aber mit dieser Neutralität unvereinbar sei.
Meine Herren, überblicken wir das Ganze in bezug auf unser Verhältnis zu
Amerika: Der Abbruch der Beziehungen zu uns, die angestrebte Mobilisierung
aller Neutralen gegen uns dienen nicht dem Schutze der von der Regierung der
Vereinigten Staaten proklamierten Freiheit der Meere; sie fördern nicht den auch
vom Präsidenten Wilson erstrebten Frieden; sie müssen vielmehr dazu führen, die
Aushungerungspolitik Englands zu ermutigen und das Blutvergießen zu verviel-
fachen.
Wir beklagen den Bruch mit einem Volke, das nach seiner Geschichte dazu
berufen schien, mit uns, nicht gegen uns für gemeinsame Ideale einzutreten. Nach
dem aber unser ehrliches Friedensangebot nur dem Kriegshohn der Gegner be-
gegnet ist, gibt es für uns kein Zurück mehr, sondern nur ein Vorwärts.
140.
Der große französische Durchbruchsversuch an der Aisne.
16. April 1917.
Quelle: Tagesbericht des Ersten Generalquartiermeisters
vom 17. April 1917.
Fundort: Hannoverscher Kurier vom 18. April 1917. (Morgenausgabe.) Nr. 33056.
An der Aisne ist eine der größten Schlachten des gewaltigen Krieges und
damit der Weltgeschichte im Gange.
Seit dem 6. April hielt ununterbrochen die Feuervorbereitung mit Artillerie
und Minenwerfern an, durch die die Franzosen in noch nie erreichter Dauer,
Masse und Heftigkeit unsere Stellungen sturmreif, unsere Batterien kampfunfähig,
unsere Truppen mürbe zu machen suchten.
Am 16. April früh morgens setzte von Soupir an der Aisne bis Bétheny
nördlich von Reims der auf einer Front von 40 Kilometern mit ungeheurer Wucht
von starken Infanteriekräften geführte und durch Nachschub von Reserven genährte
tief gegliederte französische Durchbruchsangriff ein. Am Nachmittag warf der
Franzose neue Massen in den Kampf und führte starke Nebenangriffe gegen unsere
Front zwischen Oise und Condé-sur-Aisne.
Bei dem heutigen Feuerkampf, der die Stellungen einebnet und breite, tiefe
Trichterfelder schafft, ist die starre Verteidigung nicht mehr möglich. Der Kampf
geht nicht mehr um eine Linie, sondern um eine ganze tief gestaffelte Be-
festigungszone. So wogt das Ringen um die vordersten Stellungen hin und her