Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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16. 
Großdeutsch — kleindeutsch; Wahlkaisertum — Erbkaisertum. 
1. Quelle: Rede Ludwig Uhlands in der Nationalversammlung 
am 23. Januar 1849. 
Fundort: Friedrich Notter, Ludwig Uhland. Stuttgart 1863. S. 308—313. 
Eine mächtige Volkserhebung muß sich aus ihrem eigenen Geiste die ihr 
angemessene Form schaffen . Ist unsere politische Neugestaltung von der 
monarchischen, dynastischen, aristokratischen Seite des bisherigen deutschen Staats- 
lebens ausgegangen? Nein! unbestritten von der demokratischen! Die Wurzel 
also ist eine demokratische; der Gipfel aber schießt nicht von den Zweigen, sondern 
aus der Wurzel empor. Das wäre dem natürlichen Wachstum der neu erstehenden 
deutschen Eiche nicht gemäß, wenn wir ihrem Gipfel ein Brutnest erblicher 
Reichsadler aufpflanzen wollten! . . JIch gestehe, einmal geträumt zu haben, 
daß der großartige Aufschwung der deutschen Nation auch bedeutende politische 
Charaktere hervorrufen werde, und daß hinfort nur die Hervorragendsten an der 
Spitze des deutschen Gesamtstaates stehen werden. Dies ist nur möglich durch 
Wahl, nicht durch Erbgang. Hier war freies Feld, hier offene Bahn für wahre 
und kühne Gedanken, und ich glaube, daß das deutsche Volk für solche Gedanken 
empfänglich ist. 
. . Die einmalige Wahl, vermöge welcher das zum Oberhaupt gewählte 
Oberhaupt die Würde vererben würde, diese erste Wahl ist ein letzter Wille, ein 
besonders feierlicher Verzicht auf das Wahlrecht. Ich hoffe, Sie werden diesen 
Verzicht nicht aussprechen; er steht im Widerspruch mit dem Geiste, durch den 
Sie hier gerufen sind. Die Revolution und ein Erbkaiser — das ist ein Jüngling 
mit grauen Haaren! 
Ich lege noch meine Hand auf die alte, offene Wunde, den Ausschluß Oster- 
reichs. Ausschluß, das ist doch das aufrichtige Wort; denn wenn ein deutsches 
Erbkaisertum ohne Osterreich beschlossen wird, so ist nicht abzusehen, wie irgend 
einmal Osterreich noch zu Deutschland treten werde. Ich glaube an die erste Zeit 
erinnern zu müssen. Als man Schleswig erobern wollte, wer hätte da gedacht, 
daß man Osterreich preisgeben würde? Als die österreichischen Abgesandten mit 
den deutschen Fahnen und den Waffen des Freiheitskampfes in die Versamm- 
lungen einzogen und mit lautem Jubel begrüßt wurden, wem hätte da geträumt, 
daß vor Jahresablauf die österreichischen Abgeordneten ohne Sang und Klang 
aus den Toren der Paulskirche abziehen sollten? Die deutsche Einheit soll ge- 
schaffen werden. Eine wahre Einigung muß alle deutschen Ländergebiete zu- 
sammenfassen. Das ist eine stümperhafte Einheit, die ein Dritteil der deutschen 
Länder außerhalb der Einigung läßt! 
Daß es schwierig ist, Osterreich mit dem übrigen Deutschland zu vereinigen, 
wissen wir alle; aber es scheint, manche nehmen es auch zu leicht, auf Osterreich 
zu verzichten. Manchmal, wenn in diesem Saal österreichische Abgeordnete 
sprachen, und wenn sie gar nicht in meinem Sinne redeten, war mir doch, als ob 
ich eine Stimme von den Tirolerbergen vernähme oder das Adriatische Meer 
rauschen hörte. Wie verengt sich unser Gesichtskreis, wenn Osterreich von uns 
ausgeschieden ist! Die westlichen (7) Hochgebirge weichen zurück; die volle und 
breite Donau spiegelt nicht mehr geehen Ufer . Welche Einbuße wir an 
Macht, an Gebiet, an Volkszahl erleiden würden, das ist hinreichend erörtert; ich
	        
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