Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

füge nur eines bei: Deutschland würde ärmer um alle die Kraft des Geistes und 
Gemütes, die in einer deutschen Bevölkerung von acht Millionen lebendig ist. Ich 
glaube, daß wenn wir mit einem Bundesstaat ohne Osterreich nach Hause kommen, 
unser Werk nicht überall wird gelobt werden; ich glaube dies namentlich von dem 
südlichen Deutschland sagen zu können, wo zwischen der dortigen Bevölkerung und 
der österreichischen eine nahe Verwandtschaft der Naturanlagen und der geschicht— 
lichen Erinnerungen obwaltet. Schonen sie das Volksgefühl! 
.. Wir wollen, meine Herren, — gestatten Sie zum letztenmal! — einen Dom- 
bau. Wenn unsere alten Meister ihre riesenhaften Münster aufführten, der Voll- 
endung des kühnen Werkes ungewiß, so bauten sie den einen Turm, und für den 
anderen legten sie den Sockel, — der Turm Preußen ragt hoch auf; wahren wir 
die Stelle für den Turm Osterreich! Der Turmspitzen haben wir freilich eine große 
Zahl ... ich will mich anders fassen. Mitten in der Zerrissenheit dieser Ver- 
sammlung war mir das ein erhebendes Gefühl, daß, so sehr wir uns oft gegen 
einander aufbäumen, wir dennoch durch das nicht mehr zu brechende, im Volks- 
bewußtsein befestigte Gebot der deutschen Einheit wie mit eisernen Banden zu- 
sammengeschmiedet sind; trennen sie Osterreich ab, so ist das Band zerschlagen. 
Zum Schluß, meine Herren: verwerfen Sie die Erblichkeit; schaffen Sie keinen 
herrschenden Einzelstaat; stoßen Sie Osterreich nicht ab; retten Sie das Wahlrecht, 
dieses kostbare Volksrecht, dieses letzte fortwirkende Wahrzeichen des volksmäßigen 
Ursprungs der neuen Gewalt. Glauben Sie, es wird kein Haupt über Deutschland 
  
  
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leuchten, das nicht mit einem vollen Tropfen demokratischen Oles gesalbet ist““ Il 
2. Quelle: Rede des Abgeordneten Dahlmann! in der Nationalversamm- 
lung zu Frankfurt am 22. Januar 1849. 
Fundort: Tim Klein a. a. O. S. 409. 
Ein Haus gilt mehr als ein Individuum An den Hohenzollern Preußens 
können wir ein Herrscherhaus nicht nur haben, sondern mit dem schlechtesten 
und dem besten Willen kann es kein Sterblicher dah' n bringen, daß wir es nicht 
an ihm hätten. Es ist gar keine Zukunft für Deutschland möglich ohne 
Preußen . . . Ich will meine Meinung unbekümmert sagen, wie übel sie auch 
von verschiedenen Seiten ausgenommen werde. Ihr dämpfet das Feuer der 
Anarchie in Deutschland nicht; ihr dämpft dieses zerstörende Feuer weder in den 
kleinen Staaten, noch in den mittleren, noch in den großen endlich und in dem 
größten der rein deutschen Staaten als nur auf einem Wege, nur auf dem Wege, 
daß ihr eine kraftvolle Einheit einsetzet und durch diese Einheit die Bahn für die 
deutsche Volkskraft eröffnet, die zur Macht führt. Die Bahn der Macht ist die 
einzige, die den gärenden Freiheitstrieb befriedigen und sättigen wird, 
der sich bisher selbst nicht erkannt hat; denn es ist nicht bloß die Freiheit, die er 
meint, es ist zur größeren Hälfte die Macht, die ihm bisher versagte, nach der es 
ihn gelüstet. 
Deutschland muß als solches endlich in die Reihe der politischen Großmächte 
des Weltteils eintreten: das kann nur durch Preußen geschehen, und weder 
Preußen kann ohne Deutschland, noch Deutschland ohne Preußen genesen 
1) Friedrich Christoph Dahlmann, ein bedeutender Historiker, gehörte zu den Göttinger 
Sieben, die 1837 ihres Amtes entsetzt wurden; er wurde später Professor der Geschichte 
in Bonn. In der Nationalversammlung genoß er hohes Ansehen; er war auch Mitglied 
der Kaiserdeputation.
	        
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