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selben begründete erbliche Kaiserwürde auf Seine Königliche Majestät von Preußen
übertragen. Sie hat dabei das feste Vertrauen ausgesprochen, daß die Fürsten
und Volksstämme Deutschlands großherzig und patriotisch in Übereinstimmung mit
der Nationalversammlung die Verwirklichung dieser von ihr gefaßten Beschlüsse mit
aller Kraft fördern werden. Sie hat endlich den Beschluß gefaßt, den erwählten
Kaiser durch eine Deputation aus ihrer Mitte ehrfurchtsvoll einzuladen, die auf ihn
gefallene Wahl auf Grundlage der Verfassung annehmen zu wollen. In der Voll-
ziehung dieses Auftrages stehen vor Ew. Majestät der Präsident der Reichsversamm-
lung und 32 ihrer Mitglieder in der ehrfurchtsvollen Zuversicht, daß Ew. Majestät
geruhen werden, die begeisterten Erwartungen des Vaterlandes, welches Ew. Majestät
als den Schirm und Schutz seiner Einheit, Freiheit und Macht zum Oberhaupt des
Reiches erkoren hat, durch einen gesegneten Entschluß zur glücklichen Erfüllung zu führen.
2. Quelle: Antwort des Königs auf die Ansprache Simsons.).
Fundort: Tim Klein a. a. O. S. 416 und 417.
Die Botschaft, als deren Träger Sie zu mir gekommen sind, hat mich tief
ergriffen. Sie hat meinen Blick auf den König der Könige gelenkt und auf die
heiligen und unantastbaren Pflichten, welche mir als dem König meines Volkes
und als einem der mächtigsten deutschen Fürsten obliegen. Solch ein Blick, meine
Herren, macht das Auge klar und das Herz gewiß.
In dem Beschluß der deutschen Nationalversammlung, welchen Sie mir über-
bringen, erkenne ich die Stimme der Vertreter des deutschen Volkes. Dieser Ruf
gibt mir ein Anrecht, dessen Wert ich zu schätzen weiß. Er fordert, wenn ich ihm
folge, unermeßliche Opfer von mir. Er legt mir die schwersten Pflichten auf.
Die deutsche Nationalversammlung hat auf mich vor allem gezählt, wo es gilt,
Deutschlands Einheit und Kraft zu gründen. Ich ehre ihr Vertrauen; sprechen Sie
ihr meinen Dank dafür aus. Ich bin bereit, durch die Tat zu beweisen, daß die
Männer sich nicht geirrt haben, die ihre Zuversicht auf meine Hingebung, auf
meine Treue, auf meine Liebe zum gemeinsamen deutschen Vaterlande stützen.
Aber ich würde Ihr Vertrauen nicht rechtfertigen; ich würde dem Sinne des
deutschen Volkes nicht entsprechen; ich würde Deutschlands Einheit nicht aufrichten,
wollte ich mit Verletzung heiliger Rechte und meiner früheren, ausdrücklichen und
feierlichen Versicherung, ohne das freie Einverständnis der gekrönten Häupter, der
Fürsten und der freien Städte Deutschlands eine Entschließung fassen, welche für
sie und die von ihnen regierten deutschen Stämme die entschiedensten Folgen
haben muß.
An den Regierungen der einzelnen deutschen Staaten wird es daher jetzt sein,
in gemeinsamer Beratung zu prüfen, ob die Verfassung dem Einzelnen wie dem
Ganzen frommt, ob die mir zugedachten Rechte mich in den Stand setzen würden,
1) Diese Antwort enthielt ihrem Wortlaut nach eigentlich eine bedingte Zusage, be-
dingt insofern, als sie die Annahme von der Zustimmung der deutschen Fürsten abhängig
machte. Man sah aber auch in Kreisen der Kleindeutschen sofort ein, daß eine solche Zu-
stimmung niemals zu erlangen war, und faßte des Königs Worte daher sogleich als Ab-
lehnung auf. Und hierin täuschte man sich nicht. Zwar wurden mit den übrigen deutschen
Regierungen Verhandlungen darüber sogleich angeknüpft; 28 deutsche Staaten erkannten
sogar die Verfassung und die Übertragung der Kaiserkrone an Preußen an; aber die vier
Königreiche schwankten, und Osterreich hielt alle seine Rechte aufrecht; von seinem frei-
willigen Austritt aus dem Bunde war nicht die Rede. Und so lehnte denn am 28. April
1849 Friedrich Wilhelm endgültig und unbedingt ab.