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22.
Friedrich Wilhelm IV. beschwört die Verfassung.
6. Februar 1850.
Quelle: Die Schwurrede des Königs. 6. Februar 1850.
Fundort: Friedrich Wilhelm IV. a. a. O. Bd. 2. Nr. 54.
Meine Herren!
Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Was ich sagen werde, sind meine eigensten
Worte; denn ich erscheine heute vor Ihnen wie nie zuvor und nie hernach. Ich
bin hier, nicht um die angeborenen und ererbten heiligen Pflichten des könig-
lichen Amtes zu üben (die hoch erhaben sind über dem Meinen und Wollen der
Parteien), vor allem nicht gedeckt durch die Verantwortlichkeit meiner höchsten
Räte, sondern als ich selbst allein, als ein Mann von Ehre, der sein Teuerstes,
sein Wort geben will, ein Ja, vollkräftig und bedächtig. Darum einiges zuvor. —
Das Werk, dem ich heute meine Bestätigung aufdrücken will, ist entstanden in
einem Jahre, das die Treue werdender Geschlechter wohl mit Tränen, aber ver-
gebens wünschen wird, aus unserer Geschichte hinauszubringen. In der Form,
in der es Ihnen vorgelegt worden, ist es allerdings das Werk aufopfernder Treue
von Männern, die diesen Thron gerettet haben, gegen die meine Dankbarkeit nur
mit meinem Leben erlöschen wird; aber es wurde so in den Tagen, in denen im
buchstäblichen Sinne des Wortes das Dasein des Vaterlandes bedroht war. Es
war das Werk des Augenblicks, und es trug den breiten Stempel seines Ur-
sprungs. Die Frage ist gerechtfertigt, wie ich bei solcher Betrachtung diesem Werke
die Sanktion geben könne? Dennoch will ich es, weil ich es kann, und daß ich es
kann, verdanke ich Ihnen allein, meine Herren. Sie haben die bessernde Hand
daran gelegt; Sie haben Bedenkliches daraus entfernt, Gutes hineingetragen und
mir durch ihre treffliche Arbeit und durch die Aufnahme meiner letzten Vorschläge
ein Pfand gegeben, daß Sie die vor der Sanktion begonnene Arbeit der Ver-
vollkommnung auch nachher nicht lassen wollen, und daß es unserem vereinten
redlichen Streben auf verfassungsmäßigem Wege gelingen wird, es den Lebens-
bedürfnissen Preußens immer entsprechender zu machen. Ich darf dies Werk
bestätigen, weil ich es in Hoffnung kann. Das erkenne ich mit allerwärmstem
Danke gegen Sie, meine Herren, und ich spreche es gerührt und freudig aus, Sie
haben den Dank des Vaterlandes verdient. Und so erkläre ich, Gott ist des Zeuge,
daß mein Gelöbnis auf die Verfassung treu, wahrhaftig und ohne Rückhalt ist.
Allein Leben und Segen der Verfassung, das fühlen Ihre und alle edlen Herzen
im Lande, hängen von der Erfüllung unabweislicher Bedingungen ab.
Sie, meine Herren, müssen mir helfen, und die Landtage nach Ihnen und
die Treue meines Volkes müssen mir helfen wider die, so die königlich verliehene
Freiheit zum Deckel der Bosheit machen und sie gegen ihre Urheber kehren, gegen
die von Gott eingesetzte Obrigkeit, wider die, die diese Urkunde gleichsam als
Ersatz der göttlichen Vorsehung, unserer Geschichte und der alten heiligen Treue
betrachten möchten: alle guten Kräfte im Lande müssen sich vereinigen in Unter-
tanentreue, in Ehrfurcht gegen das Königtum und diesen Thron, der auf den
Siegen unserer Heere ruht, in Beobachtung der Gesetze, in wahrhaftiger Er-
füllung des Huldigungseides, sowie des neuen Schwurs „der Treue und des
Gehorsams gegen den König und des gewissenhaften Haltens der Verfassung“;
mit einem Worte: seine Lebensbedingung ist die, daß mir das Regieren mit