Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

— 43 — 
III. 
Die Begründung des Deutschen Reiches. 
25. 
Die Regierungsgrundsätze des Prinz-Regenten von Preußen. 
8. November 1858. 
Quelle: Ansprache des Regenten an das neue Staatsministerium 
am 8. November 1858. 
Fundort: L. Hahn, Kaiser Wilhelms Gedenkbuch. 1797—1873. Berlin 1874. S. 66—70. 
Nachdem wir durch eine ernste Krisis gegangen sind, sehe ich Sie, die mein 
Vertrauen zu den ersten Räten der Krone berufen hat, zum erstenmal um mich 
versammelt. Augenblicke der Art gehören zu den schwersten im Leben des 
Monarchen, und ich als Regent habe sie nur noch tiefer empfunden, weil ein un- 
glückliches Verhältnis mich in meine Stellung berufen hat. Die Pietät gegen 
meinen schwer heimgesuchten König und Herrn ließ mich lange schwanken, wie 
manche Erlebnisse, die ich unter seiner Regierung wahrnahm, in eine bessere Bahn 
wieder überzuleiten seien, ohne meinen brüderlichen Gefühlen und der Liebe, 
Sorgfalt und Treue, mit welcher unser allergnädigster König seine Regierung führte, 
zu nahe zu treten. 
Wenn ich mich entschließen konnte, einen Wechsel in den Räten der Krone 
eintreten zu lassen!), so geschah es, weil ich bei allen von mir Erwählten dieselbe 
Ansicht traf, welche die meinige ist: daß nämlich von einem Bruche mit der 
Vergangenheit nun und nimmermehr die Rede sein soll. Es soll nur 
die sorgliche und bessernde Hand angelegt werden, wo sich Willkürliches 
oder gegen die Bedürfnisse der Zeit Laufendes zeigt. 
In der Handhabung unserer inneren Verhältnisse, die zunächst vom 
Ministerium des Innern und der Landwirtschaft ressortieren, sind wir von einem 
Extreme zum andern seit 1848 geworfen worden. — Von einer Kommunal= 
verwaltung, die ganz unvorbereitet Selfgovernment?) einführen sollte, sind wir zu 
den alten Verhältnissen zurückgedrängt worden, ohne den Forderungen der Zeit 
Rechnung zu tragen, was sonst ein richtiges Mittehalten bewirkt haben würde. 
Hieran die bessernde Hand dereinst zu legen, wird erforderlich sein; aber vorerst 
müssen wir bestehen lassen, was eben erst wiederhergestellt ist, um nicht neue 
Unsicherheit und Unruhe zu erzeugen, die nur bedenklich sein würde. 
Die Finanzen haben sich in acht Jahren von einem sehr unglücklichen 
Stande so gehoben, daß nicht nur das Budget gut balanciert, sondern Uberschüsse 
sich ergeben. Aber noch kann bei weitem nicht allen Bedürfnissen entsprochen 
werden . . . Wie zu diesen Bedürfnissen die Mittel zu beschaffen sein werden, 
wird eine Hauptausgabe der Zukunft sein. Die wahre Besteuerungsfähigkeit des 
Landes ist dabei vor allem ins Auge zu fassen. 
1) Kurz nach Übernahme der Regentschaft entließ der Prinzregent das Ministerium 
Manteuffel und beauftragte (am 5. November 1858) den Fürsten von Hohenzollern- 
Sigmaringen mit der Bildung eines neuen Ministeriums. 
2) Selbstverwaltung.
	        
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