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35.
Der Vertrag von Gastein.
14. August 1865.
Quelle: Das Vertragsprotokoll vom 14. August 1865.
Fundort: Aegidi und Klauhold a. a. O. Bd. 9. Nr. 2011.
Ihre Mojestäten der Kaiser von Osterreich und der König von Preußen haben
sich überzeugt, daß das bisher bestandene Kondominium in den von Dänemark
durch den Friedensvertrag vom 30. Oktober 1864 abgetretenen Ländern zu Un-
zukömmlichkeiten führt, welche gleichzeitig das gute Einvernehmen zwischen ihren
Regierungen und die Interessen der Herzogtümer gefährden. Ihre Maojestäten
sind deshalb zu dem Entschlusse gelangt, die ihnen aus dem Artikel 3 des er-
wähnten Traktats zufließenden Rechte fortan nicht mehr gemeinsam auszuüben,
sondern bis auf weitere Vereinbarung deren Ausübung geographisch zu teilen.
Zu diesem Zwecke haben Seine Majestät der König von Preußen ihrem
Präsidenten des Staatsministeriums Otto von Bismarck-Schönhausen.
Seine Majestät der Kaiser von Osterreich ihren .. außerordentlichen Gesandten
am königlich bayerischen Hofe Gustav Grafen von Blome , welche nach
Auswechslung ihrer in gehöriger Form befundenen Vollmachten über die nach-
folgenden Artikel übereingekommen sind.
Art. 1. Die Ausübung der von den hohen vertragschließenden Teilen durch
den Art. 3 des Wiener Friedenstraktates vom 30. Oktober 1864 gemeinsam er-
worbenen Rechte wird unbeschadet der Fortdauer dieser Rechte beider Mächte an
der Gesamtheit beider Herzogtümer in bezug auf das Herzogtum Schleswig
auf Seine Majestät den König von Preußen, in bezug auf das Herzogtum
Holstein auf Seine Majestät den Kaiser von Osterreich übergehen.
Art. 2. Die hohen Kontrahenten wollen am Bunde die Herstellung einer
deutschen Flotte in Antrag bringen und für diese den Kieler Hafen als
Bundeshafen bestimmen. Bis zur Ausführung der desfallsigen Bundesbeschlüsse
benutzen die Kriegsschiffe beider Mächte diesen Hafen, und wird das Kommando
und die Polizei über ihn von Preußen ausgeübt. Preußen ist berechtigt, sowohl
zur Verteidigung der Einfahrt Friedrichsort gegenüber die nötigen Befestigungen
anzulegen, als auch auf dem holsteinischen Ufer der Bucht die dem Zwecke des
Kriegshafens entsprechenden Marine-Etablissements einzurichten. Diese Be-
festigungen und Etablissements stehen gleichfalls unter preußischem Kommando,
und die zu ihrer Besatzung und Bewachung erforderlichen preußischen Marine-
truppen und Mannschaften können in Kiel und Umgegend einquartiert werden.
Art. 3. Die hohen kontrahierenden Teile werden in Frankfurt beantragen,
Rendsburg zur deutschen Bundesfestung zu erheben
Art. 4. Während der Dauer der durch Art. 1 der gegenwärtigen Ubereinkunft
verabredeten Teilung wird die königlich preußische Regierung zwei Militär-
straßen durch Holstein, die eine von Lübeck auf Kiel, die andere von Hamburg auf
Rendsburg behalten
Art. 6. Es ist die übereinstimmende Absicht der hohen Kontrahenten, daß die
Herzogtümer dem Zollverein beitreten werden
Art. 7. Preußen ist berechtigt, den anzulegenden Nord-Ostsee-Kanal je nach
dem Ergebnis der von der königlichen Regierung eingeleiteten technischen Er-