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Nur wenige Jahre sind es her, seit ich aus freiem Entschlusse und ohne
früherer Unbill zu gedenken, dem Kaiser von Osterreich die Bundeshand reichte,
als es galt, ein deutsches Land von fremder Herrschaft zu befreien. Aus dem ge—
meinschaftlich vergossenen Blute, hoffte ich, würde eine Waffenbrüderschaft er—
blühen, die zu fester, auf gegenseitiger Achtung und Anerkennung beruhender
Bundesgenossenschaft und mit ihr zu all dem gemeinsamen Wirken führen würde,
aus welchem Deutschlands innere Wohlfahrt und äußere Bedeutung als Frucht
hervorgehen sollte. Aber meine Hoffnung ist getäuscht worden. Osterreich will
nicht vergessen, daß seine Fürsten einst Deutschland beherrschten; in dem jüngeren,
aber kräftig sich entwickelnden Preußen will es keinen natürlichen Bundesgenossen,
sondern nur einen feindlichen Nebenbuhler erkennen. Preußen — so meint es —
muß in allen seinen Bestrebungen bekämpft werden, weil, was Preußen frommt,
Osterreich schade. Die alte, unselige Eifersucht ist in hellen Flammen wieder auf-
gelodert: Preußen soll geschwächt, vernichtet, entehrt werden. Ihm gegenüber
gelten keine Verträge mehr, gegen Preußen werden die deutschen Bundesfürsten
nicht bloß aufgerufen, sondern zum Bundesbruch verleitet. Wohin wir in Deutsch-
land schauen, sind wir von Feinden umgeben, deren Kampfgeschrei ist: „Er-
niedrigung Preußens!“
Aber in meinem Volke lebt der Geist von 1813. Wer wird uns einen Fuß
breit preußischen Bodens rauben, wenn wir ernstlich entschlossen sind, die Er-
rungenschaften unserer Väter zu wahren, wenn König und Volk, durch die Ge-
fahren des Vaterlandes fester als je geeint, an die Ehre desselben Gut und Blut
zu setzen, für ihre höchste und heiligste Aufgabe halten? In sorglicher Voraussetzung
dessen, was nun eingetreten ist, habe ich es seit Jahren für die erste Pflicht
meines königlichen Amtes erkennen müssen, Preußens streitbares Volk für eine
starke Machtentwicklung vorzubereiten. Befriedigt und zuversichtlich wird mit mir
jeder Preuße auf die Waffenmacht blicken, die unsere Grenzen deckt. Mit seinem
Könige an der Spitze, wird sich Preußens Volk ein wahres Volk in Waffen
fühlen. Unsere Gegner täuschen sich, wenn sie wähnen, Preußen sei durch innere
Streitigkeiten geschwächt. Dem Feinde gegenüber ist es einig und stark; dem
Feinde gegenüber gleicht sich aus, was sich entgegenstand, um demnächst im Glück
und Unglück vereint zu bleiben.
Ich habe alles getan, um Preußen die Lasten und Opfer eines Krieges zu
ersparen; das weiß mein Volk; das weiß Gott, der die Herzen prüft. Bis zum
letzten Augenblicke habe ich in Gemeinschaft mit Frankreich, England und Rußland
die Wege für eine gütliche Ausgleichung gesucht und offengehalten. Osterreich hat
nicht gewollt, und andere deutsche Staaten haben sich offen auf seine Seite gestellt.
So sei es denn! Nicht mein ist die Schuld, wenn mein Volk schweren Kampf
kämpfen und vielleicht harte Bedrängnis wird erdulden müssen: aber es ist uns keine
Wahl mehr geblieben! Wir müssen fechten um unsere Existenz; wir müssen in einen
Kampf auf Leben und Tod gehen gegen diejenigen, die das Preußen des großen
Kurfürsten, des großen Friedrich, das Preußen, wie es aus den Freiheitskriegen her-
vorgegangen ist, von der Stufe herabstoßen wollen, auf die seiner Fürsten Geist und
Kraft, seines Volkes Tapferkeit, Hingebung und Gesittung es emporgehoben haben.
Flehen wir den Allmächtigen, den Lenker der Geschicke der Völker, den
Lenker der Schlachten an, daß er unsere Waffen segne!
Verleiht uns Gott den Sieg, dann werden wir auch stark genug sein, das
lose Band, welches die deutschen Lande mehr dem Namen als der Tat nach zu-