Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

— 83 — 
sandten, als in der Presse mitzuteilen. Ich stellte an Moltke einige Fragen in 
bezug auf das Maß seines Vertrauens auf den Stand unserer Rüstungen, 
respektive auf die Zeit, deren dieselben bei der überraschend aufgetauchten Kriegs- 
gefahr noch bedürfen würden. Er antwortete, daß er, wenn Krieg werden sollte, 
von einem Aufschub des Ausbruches keinen Vorteil für uns erwarte; selbst wenn 
wir zunächst nicht stark genug sein sollten, sofort alle linksrheinischen Landesteile 
gegen eine französische Invasion zu decken, so würde unsere Kriegsbereitschaft die 
französische sehr bald überholen, während in einer späteren Periode dieser Vorteil 
sich abschwächen würde; er halte den schnellen Ausbruch im ganzen für uns 
vorteilhafter als eine Verschleppung. — 
Der Haltung Frankreichs gegenüber zwang uns nach meiner Ansicht das 
nationale Ehrgefühl zum Kriege, und wenn wir den Forderungen dieses Gefühls 
nicht gerecht wurden, so verloren wir auf dem Wege zur Vollendung unserer 
nationalen Entwicklung den ganzen 1866 gewonnenen Vorsprung, und das 1866 
durch unsere militärischen Erfolge gesteigerte deutsche Nationalgefühl südlich des 
Mains, wie es sich in der Bereitwilligkeit der Südstaaten zu den Bündnissen aus— 
gefprochen hatte, mußte wieder erkalten. . . Die politischen Erwägungen in betreff 
der süddeutschen Staaten fanden mutatis mutandis!) auch auf unsere Beziehungen 
zu der Bevölkerung von Hannover, Hessen, Schleswig-Holstein Anwendung. Daß 
diese Auffassung richtig war, beweist die Genugtuung, mit der heute, nach zwanzig 
Jahren, nicht nur die Holsteiner, sondern auch die Hanseaten der 1870er Helden- 
taten ihrer Söhne gedenken. Alle diese Erwägungen, bewußt und unbewußt, ver- 
stärkten in mir die Empfindung, daß der Krieg nur auf Kosten unserer preußischen 
Ehre und des nationalen Vertrauens auf dieselbe vermieden werden könne. 
In dieser Überzeugung machte ich von der mir durch Abeken übermittelten 
königlichen Ermächtigung Gebrauch, den Inhalt des Telegramms zu veröffentlichen, 
und reduzierte in Gegenwart meiner beiden Tischgäste das Telegramm durch 
Sirerhungen ohne ein Wort hinzuzusetzen oder zu ändern, auf die nachstehende 
Fassung: 
„Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohen- 
zollern der kaiserlich französischen Regierung von der königlich spanischen amtlich 
mitgeteilt worden sind, hat der französische Botschafter in Ems an Se. Masjestät 
den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisieren, daß er nach Paris 
telegraphiere, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern 
auf ihre Kandidatur wieder zurückkommen sollten. Se. Majestät der König hat es 
darauf abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen, und dem- 
selben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß Se. Majestät dem Bot- 
nehmen dürfe, noch könne. Natürlich sagte ich ihm, daß ich noch nichts erhalten hätte und, 
da er über Paris und Madrid früher benachrichtigt sei als ich, er wohl einsähe, daß mein 
Gouvernement wiederum außer Spiel sei.“ Se. Majestät hat seitdem ein Schreiben des 
Fürsten bekommen. Da Se. Majestät dem Grafen Benedetti gesagt, daß er Nachricht vom 
Fürsten erwarte, hat Allerhöchstderselbe mit Rücksicht auf die obige Zumutung auf des 
Grafen Eulenburg und meinen Vortrag beschlossen, den Grafen Benedetti nicht mehr zu 
empfangen, sondern ihm nur durch einen Adjutanten sagen zu lassen: daß Se. Majestät 
jetzt vom Fürsten die Bestätigung der Nachricht erhalten, die Benedetti aus Paris schon 
gehabt, und dem Botschafter nichts weiter zu sagen habe. Se. Mazestät stellt Eurer Ex- 
zellenz anheim, ob nicht die neue Forderung Benedettis und ihre Zurückweisung sogleich 
sowohl unseren Gesandten, als in der Presse mitgeteilt werden sollte.“ 
1) Mit den erforderlichen Abänderungen. 
  
6 *
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.