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schienen sind. Noch bemerke ich, daß bei dieser Gelegenheit gefangen worden zu
sein, der Stolz eines jeden Betroffenen sein darf; denn nur verwundet, oder nach-
dem das Regiment auf seinem Heldenritt zwei Batterien und zwei Infanterie-
kolonnen durchbrochen, konnte es den französischen Kürassieren gelingen, Gefangene
zu machen. Es wäre unverantwortlich von einem Führer, seine Truppe in den
sicheren Schlund des Todes hineinzuführen, wenn nicht zwingende Gründe vor-
liegen. Dies war der Fall. Der Chef des Generalstabes des III. Armeekorps,
Oberst von Voigt-Rhetz, kam zu unserem hochverehrten Brigadekommandeur
von Bredow, den wir bei jeder Gelegenheit vorangesehen, und sagte: „Herr
General, der kommandierende General hat mit dem General von Rheinbaben ver-
abredet, daß Sie am Walde hier durchbrechen müssen, und Sie stehen noch ruhig
hier?“ General von Bredow erwiderte: „Ich soll hier am Walde die Infanterie
durchbrechen?“ „Jawohl,“ war die Antwort, „wir haben das Dorf bereits ge-
nommen und können nicht an den Wald herankommen; das Schicksal der Schlacht
hängt davon ab, daß alles aufgeräumt werde, was noch längs des Waldes steht.
Sie müssen attackieren und zwar auf das energischste.“ Wir bildeten zwei Treffen,
das Kürassierregiment auf dem linken Flügel den Waldessaum entlang, das
Ulanenregiment auf dem rechten Flügel, hundert Schritt zurück. Unser braver
General mit seinem Stabe (vier Offiziere), von denen er drei verlor, war un-
gefähr mit den Kürassieren in gleicher Höhe. Die erste Batterie wurde nur mit
zwei Geschützen fertig zum Feuern, und wir waren darin. Die Ehre, den Kom-
mandeur zu holen, konnte ich keinem anderen überlassen, und ich glaube, ich habe
ihn gefunden. Es war mir sehr klar, daß es sich bei diesem Todesritt nicht darum
handelte, Trophäen heimzubringen, sondern alles niederzuwerfen, was noch
zwischen Wald und Chaussee sich stehend befand. In der Batterie war alles
niedergehauen, und so ging es in rasendem Jagen auf eine Infanteriekolonne, die
niedergeritten und niedergehauen wurde, nachdem sie durchbrochen uns Schüsse
nachschickte. Jetzt war das Regiment schon mit den Ulanen zusammengeschlossen.
Eine zweite Batterie wurde attackiert, heruntergehauen, was nicht floh, und mit
diesem fliehenden Teil ging es auf eine zweite Infanteriekolonne. Kurz, ehe sie
erreicht, schwenkten aus einer Waldlücke zwei Schwadronen französischer Kürassiere
in die Lücken des Häufleins, und nachdem die letzte Kolonne Infanterie über-
ritten, schwenkte das Häuflein nun péle-mêle mit den französischen Kürassieren und
den Ulanen rechts ab und jagte zurück. Vor der Batterie erhielt ich zwei Schüsse,
die den Helm durchbohrten, ohne mich ernstlich zu berühren. Der Adjutant, von
zwei Kugeln getroffen, stürzte vom Pferde; der eine Trompeter wurde herunter-
geschossen, das Pferd des anderen verwundet; ich sprach noch eine Weile mit dem
Rittmeister Heister, bis auch er fiel. Eine Weile war Leutnant Lampbell an
meiner Seite, bis man ihm übel mitspielte beim Versuch, die Standarte den fran-
zösischen Kürassieren zu entreißen, die er mit der linken Hand erfaßt hatte. Einige
Leute hieben ihn wieder heraus.
Nie werde ich es vergessen, wie ich, ungefähr an der Stelle, von der wir aus-
geritten, dem ersten Trompeter, den ich fand, das Regimentssignal zu blasen be-
fahl. Die Trompete war durchschossen, und es kam ein Ton heraus, der mir
durch Mark und Bein ging. Auf meinen Ruf fanden sich von 11 Zügen (fünf
waren detachiert gewesen) noch drei zusammen. Ein traurig ernstes Biwak, das
folgte. Zwei Tage darauf waren wir wieder im Feuer.