60 ODie innere Entwicklungsgeschichte des Oreiverbandes.
ohne daß darüber ein schriftlicher Staatsvertrag ab-
geschlossen worden wäre: eben, um es jederzeit vor
den Volksvertretern ableugnen zu können, blieb es
beim mündlichen Eventualabkommen.
Belgien optiert für Frankreich.
Aber das alles hätte die breite Offentlichkeit kaum
sonderlich aufgeregt: die Unruhe kam wieder einmal
von Marokko her. Ee ist ja noch in aller Erinnerung,
welch ungeheure Erregung Anfang Juli 1911 die Ent-
sendung des Kreuzers „Panther" nach Agadir verur-
sacht hat. Die Dinge standen mehrere Male tatsäch-
lich auf des Messers Schneide. Besonders bezeichnend
für die damalige Schwäche ist der berühmt gewordene
Satz: „A#un folgte eine Periode des Schweigens“ in
Greys Erzählung von der Entwicklung der marokka-
nischen Krisis (Unterhausrede vom 27. November).
In diesem Zusammenhange darf auch darauf hinge-
wiesen werden, daß in jenen gewitterdrohenden Mona-
ten das belgische Problem Gestalt zu nehmen beginnt.
Oas Heereegesetz vom November 1909 hatte versagt;
und am 19. Dezember 1911 erklärte Senator Hanrez:
im Fall eines deutsch-französischen Konflikts sei Belgien
genötigt, sich für die eine oder andere der beiden
Nationen zu erklären. Habe man schlechthin Ver-
trauen zu den Neutralitätsverträgen, dann sei es auch
nicht nötig, für die Erhaltung eines Heeres 80 Millionen
Franks jährlich auszugeben.
„Für die eine oder die andere der beiden Nationen“:
dies Entweder-Oder sollte knapp drei Jahre später
eine sehr merkwürdige Entscheidung finden. Aber
schon damals, Ende 1911, hatte man sich die Antwort
in den maßgebenden Kreisen Belgiens sehr einseitig