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Lässt sich nun aber auf Grund der Reichs-
verfassung ein dem Kaiser zustehendes Recht der
Gesetzesinitiative feststellen?
Die herrschende Meinung, als deren Vertreter hier
nur Laband,!) Grassmann?) und Arndt®) genannt seien,
verneint diese Frage. Meines Erachtens lässt sich indess,
wenn nicht schlechthin, so doch innerhalb gewisser
Grenzen ein solches Recht nachweisen.
Zu diesem Zwecke nehme ich Bezug auf Art. 17
der R.-V.:
„Dem Kaiser steht die Ausfertigung und Verkündigung
der Reichsgesetze und die Ueberwachung der
Ausführung derselben zu.“
Der Zweck einer solchen Ueberwachung dürfte nun
meines Erachtens nicht zuletzt der sein, darauf zu achten,
ob sich bei der Ausführung der Reichsgesetze Schwierig-
keiten beziehungsweise Mängel ergeben, die bei der Ein-
bringung des Gesetzes und der sich daran anschliessenden
Beratung und Beschlussfassung nicht oder nicht in dem
Masse erwartet worden sind oder vielleicht gar nicht einmal
erwartet werden konnten. So dürfte beispielsweise doch
keineswegs ausgeschlossen sein, dass der Kaiser in betreff
eines Gesetzes, dessen Ausführung längere Zeit hindurch
Schwierigkeiten nicht begegnet ist, infolge veränderter
Umstände zu der Ueberzeugung kommt, dass es nicht
erspriesslich, eventuell sogar schädlich ist, wenn die Be-
stimmungen dieses Gesetzes weiter ausgeführt würden.
Soll nun in einem solchen Falle der Kaiser gezwungen
sein, obwohl er von der — wie gesagt, möglicher Weise
erst im Laufe der Zeit zu Tage getretenen — Unzweck-
mässigkeit eines Gesetzes überzeugt ist, nichtsdestoweniger
mit peinlicher Sorgfalt die genaue Ausführung desselben
zu überwachen? Oder liegt es nicht viel näher, die
Vorschrift des genannten Artikels, soweit sie sich auf die
dem Kaiser zustehende Ueberwachung der Ausführung
1) a.a. 0.S. 23.
2) a. a. 0. S. 338 fl.
3) a. a. 0. S. 178.