Full text: Die Stellung des deutschen Kaisers

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der norddeutschen Verfassung unverändert übernommen 
ist, während im übrigen eine Aenderung des Wortlautes 
für gut befunden wurde (s. letzte Anm.) 
Wir kommen somit zu dem Schluss: Offenbar hat es 
in den Intentionen des Gesetzgebers gelegen, dem deutschen 
Kaiser, wenn nicht schlechthin auf allen Gebieten der 
Reichsgesetzgebung, so doch wenigstens auf einigen Ge- 
bieten das Recht der Initiative zuzusprechen. — 
Nachdem nun ein Gesetzesvorschlag gemacht worden 
ist, kommt es zur Beratung und Beschlussfassung: über 
ihn. Wir fragen uns: 
Inwiefern ist der Kaiser bei der Beratung und Beschluss- 
fassung über ein Gesetz beteiligt? 
Direkt: offenbar gar nicht. 
Indirekt dagegen ist dem Kaiser eine Einwirkung auf 
die Beratungen und Beschlussfassungen über die Reichs- 
gesetze insofern ermöglicht, als die Reichsverfassung ihm 
in Artikel 12 das Recht der Berufung, Eröffnung, Ver- 
tagung und Schliessung des Bundesrates und des Reichs- 
tages und in Art. 24 das Recht der Zustimmung zu einem 
die Auflösung des Reichstages zum Inhalte habenden Be- 
schluss des Bundesrates gibt. Von tatsächlicher Bedeutung 
dürften diese in der Literatur häufig nicht mit Unrecht 
als blosse Ehrenrechte hingestellten Befugnisse des Kaisers 
indessen nur selten und auch dann nur bis zu einem 
gewissen Grade werden. So ist es z.B. in die Hand des 
Kaisers gelegt, durch Vertagung gegebenen Falls eine 
Beruhigung der momentan erregten Gemüter und dadurch 
sachlichere und infolgedessen zweckdienlichere Beratungen 
herbeizuführen; so ist der Kaiser ferner in der Lage, 
durch Auflösung des Reichstages') die Zusammensetzung 
dieses Gesetzgebungsfaktors zu ändern, wenn er die 
Ueberzeugung gewonnen hat, dass sie nicht mehr den 
Anschauungen des gesamten Volkes bezw. der Mehrheit 
des Volkes in der betreffenden Frage entspricht, u. s. f. 
Jedenfalls dürfte mit Bezug auf die in Rede stehenden 
Rechte des Kaisers Seydel?) beizutreten sein: bei näherer 
1) sc. nach vorangegangenem Bundesratsbeschluss. 
2) a. 2a. 0. S. 120.
	        
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