Full text: Die Stellung des deutschen Kaisers

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war, sondern lediglich darauf, ob der Gedanke an eine 
solche Möglichkeit dermassen nahe lag, dass er einer aus- 
drücklichen Abweisung wert war“. Nicht im Hinblicke 
auf die „Mehrheitsbeschlüsse“, sondern auf „diese beiden 
Versammlungen“ dürfte also der Gesetzgeber den Aus- 
druck „ausreichend“ haben gebrauchen und damit sagen 
wollen, dass nur der Bundesrat und der Reichstag als an 
der Reichsgesetzgebung wesentlich beteiligte Faktoren in 
Betracht kommen‘). 
Somit kann nur der Bundesrat oder der Reichstag 
das Sanktionierungsorgan der deutschen Reichsgesetze 
sein. Während sich nun aber der Reichstag nur in einem 
einzigen Akte mit dem werdenden Reichsgesetze zu be- 
fassen hat, indem er nämlich den — sei es aus seiner 
Mitte, sei es vom Bundesrate gemachten — Gesetzesvor- 
schlag annimmt (bezw. verwirft), also lediglich bei der Fest- 
stellung des Gesetzestextes mitwirkt, hat der Bundesrat 
ausserdem noch gemäss Art. 7 Ziffer 1 „über die vom 
Reichstage gefassten Beschlüsse“ zu beschliessen?),. Es 
1) Wenn Fricker a. a. OÖ. S. 4ff abgesehen von seiner S. 27 
wiedergegebenen Auffassung die Beweiskraft des Art. 5 Abs. 1. in 
dem von mir angenommenen Sinne auch auf Grund der Behauptung 
bestreitet, dass dieser Absatz nicht den gesamten Gesetzgebungs- 
vorgang, sondern nur die Feststellung des Gesetzestextes betreffe, 
so kann er damit meines Erachtens höchstens den -zweiten Satz des 
Art. 5 Abs. 1 entkräften. Der erste Satz des Artikels, der schlecht- 
hin den Bundesrat und den Reichstag als allein die Reichsgesetz- 
gebung ausübenden Organe erklärt, wird, soviel ich sehe, durch 
diesen Einwand nicht betroffen. Im übrigen hätte aber wohl dieser 
erste Satz allein ausgereicht, dasselbe auszudrücken, was nach 
herrschender Ansicht, der ich mich oben angeschlossen habe, auch 
der zweite Satz besagt. Und dann liegt, wie gesagt, der Ton im 
zweiten Satze des angeführten Absatzes auf „diese beiden Versamm- 
lungen“, nicht aber auf „Uebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse“. 
Denn, dass lediglich diese Uebereinstimmung genügen sollte, ein 
fertiges Gesetz hervorzurufen, kann mit Rücksicht auf die sonstigen 
einschlägigen Bestimmungen der Reichsverfassung der Gesetzgeber 
nicht haben sagen wollen. 
2) Ueber das Recht des Bundesrates, auch über vom Reichstage 
unverändert angenommene Beschlüsse zu beschliessen, s. Frormann 
S. 64, Laband II S. 30, auch Arndt a. a O. S. 180. Dagegen Gierke 
b. Grünhut VI. 230.
	        
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