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Die Verkündigung.
Was nun die „Verkündigung“ der Gesetze betrifft,
so ist über sie weit weniger zu sagen, als über die Aus-
fertigung. Denn einmal haben sich im Anschluss an sie
viel weniger Streitfragen ergeben, und dann sind Fragen,
die die Verkündigung mitbetreffen, bereits bei der Aus-
fertigung erschöpfend behandelt worden, wie beispielsweise
die Frage nach dem Verhältnis zwischen Ausfertigung
und Verkündigung.
‚ Was zunächst den Sprachgebrauch der Reichsver-
fassung anbetrifft, so wird wohl fast allgemein anerkannt,
dass mit der „Verkündigung“ des Artikel 17 in erster Linie
der Verkündigungsbefehl gemeint wird, während in
Artikel 2 derselbe Ausdruck die Realisierung dieses Be-
fehls, die eigentliche Verkündigung bezeichnet.
In welcher Weise wird nun der Verkündigungsbefehl
vom Kaiser erteilt ?
Meines Erachtens ist zweifellos, dass, wenn wir die
Ausfertigung als kaiserliche Anordnung im Sinne des
Artikel 17 aufgefasst haben, wir auch in der Verkündigung
eine solche erblicken müssen. Mithin muss auch der Ver-
kündigungsbefehl vom Kaiser im Namen des Reichs er-
lassen und vom Reichskanzler gegengezeichnet werden.
Wenn nun von manchen behauptet wird, dass der Ver-
kündigungsbefehl des Kaisers regelmässig in der Aus-
fertigung als solchen enthalten sei, so kann ich dem nur
unter Anlehnung an Brie') entgegentreten. Nach dem
oben besprochenen, heut üblich gewordenen Wortlaute
der Ausfertigung, die, wie gezeigt, weiter nichts sein will,
als eine authentische, urkundenmässige Feststellung des
Gesetzestextes, hiesse es, diesem Wortlaute Zwang antun,
wenn wir gleichzeitig in ihm den Ausdruck des Verkün-
digungsbefehls sehen wollten. Andererseits scheint mir
auch die Annahme unhaltbar, dass die blosse Uebergabe
des ausgefertigten Gesetzes an den Reichskanzler bezw.
ein mündlicher Befehl den verfassungsmässigen Verkün-
digungsbefehl darstellen sollte, denn wie gesagt, dieser
1) Brie im Arch. IV, S. 23 Anm. 62.