Full text: Die slawischen Siedelungen im Königreich Sachsen mit Erklärung ihrer Namen.

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in höherer der Vogt; der Schultheiß erhielt völlig freien Besitz, 
die übrigen zahlten, wie in mehreren Fällen überliefert ist, für die 
Hufe oder den mansus (ungefähr 20 Acker) einen jährlichen Erb- 
zins von 2 solidi oder Schillingen an die Grundherrschaft. 
In gedrückter Lage dagegen befand sich das wendische Bauern- 
volk. Zwar hatten sie ihre alten Einrichtungen und ihr Dorfrecht 
behalten, aber der Freiheit erfreuten sie sich nicht, sondern befanden 
sich im Stande der Hörigkeit und leisteten Frondienste, wenn auch 
nicht als Leibeigene. Ihr Nationalname Slave oder latinisiert 
Sclavus war zunächst in den langen Kriegszeiten die Bezeichnung 
für den Kriegsgefangenen geworden (mhd. slaven unde geste = 
Gefangene und Fremde), sank aber nun herab zu der Bedeutung 
„der unfreie Knecht", und der Name Sklave kam hierfür späterhin 
fast in der ganzen Welt in Gebrauch). Anfangs ausschließlich 
auf das platte Land angewiesen und von den Burgen und Städten 
streng fern gehalten, erlangten die Wenden erst ganz allmählich die 
Vergünstigung, sich vor den Thoren der schützenden Stadtmauer 
anzusiedeln, um hier Garten= und Landbau zu treiben. Als ver- 
achtete, anrüchige, „unehrliche“ Leute wurden sie nicht für geeignet 
gehalten, ein ehrliches Handwerk zu erlernen, und mit ängstlicher 
Sorge wurde darüber gewacht, daß kein Wende in die Zünfte sich 
einschleiche; denn jeder eintretende Lehrling hatte den Nachweis zu 
führen, daß er kein Unfreier und kein Wende sei. Eine die Fleischhauer= 
innung betreffende Dresdner Urkunde vom Jahre 1451 bestimmt: 
Welch from Geselle das Fleilshauwerhantwerck bie yn lernen 
wil, der sal briue undt redeliche Kuntschaft brengen, das er 
von fromen erlichen Eldern, von Vater und Muter eelich ge- 
born, auch rechter dutzscher Zunge und Art Sy — alsfo nicht 
wendischer Zunge und Art. Im Jahre 1538 wurden, da die Obrig- 
keit für eine mildere Praxis eintrat, in einer Stadt der Lausitz die 
Schmiede eingekerkert, weil sie, zäh am Herkommen festhaltend, 
keine Wenden zu Lehrlingen annehmen wollten. Ja noch 1681 
wurde in Hildesheim der durch vier vereidete Zeugen erbrachte Be- 
weis gefordert, daß Hans Rutger und seine Eltern niemandes „loth 
noch eigen, noch wendischer Geburt“ seien. Allerdings gestattete 
man mit der Zeit den Wenden in den Vorstädten die Ausübung 
einzelner Handwerke, wie Töpferei, Schuh= und Kleidermacherei, 
nur zünftige Meister konnten sie darin nicht werden. Man pflegte 
  
1) Englisch slave, französisch esclave, spanisch esclavo, italienisch schiávo, 
sardinisch islavu u. s. w.
	        
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