Allgemeines.
Geschichtliche Einleitung.
Wernn die älteste Geschichte eines Volkes, sobald andere Quellen
versagen, bekanntlich aus seinem Sprachstoffe sich erschließen läßt,
in welchem sich von der Vorzeit feste Spuren unauslöschlich er-
halten, so ist auch bei der Frage nach der Verbreitung und dem
Kulturstande des alten Slaventums auf deutschem Boden ins-
besondere die Ortsnamenkunde berufen, zur Klarlegung dieses Gegen-
standes mit beizutragen. Denn die Ortsnamen gehören zu dem
Ursprünglichsten, was von dem Leben und der Geschichte eines Volkes
übrig geblieben ist; sie sind älter als alle Ruinen und dem Erd-
schoße wieder abgewonnenen Fundstücke, in ihnen sind die ältesten
litterarischen Denkmale der Vorfahren erhalten. Außer Zweifel steht
darum heute die hohe Wichtigkeit der „Onomatologie“" als Hilfs-
wissenschaft der Geschichte, insonderheit der Kulturgeschichte; doch
ist dieselbe, wenn auch bereits seit langer Zeit Gegenstand der
Forschung, freilich erst in den letzten Jahrzehnten der rechten nüch-
ternen und verständigen Pflege teilhaftig geworden und hat denn
auch in diesem Zeitraume schon zu bemerkenswerten Ergebnissen ge-
führt und eine wissenschaftliche Bedeutung erlangt.
Die vorliegende Arbeit soll das über der Geschichte des alten
Wendentums in unserem Lande noch immer lagernde Halbdunkel
zerstreuen helfen und aus tausendfältigen Einzelforschungen einen
Einblick in unsere slavische Vorzeit gewinnen lassen. Die hier ge-
wählte räumliche Abgrenzung, die Beschränkung auf den Raum des
jetzigen Königreichs Sachsen mag zwar manchem nicht recht angemessen
erscheinen, da dasselbe in Hinsicht auf die slavischen Siedelungen
der alten Zeit kein in sich abgeschlossenes Ganze bildet; gleichwohl
empfiehlt sich diese Begrenzung aus leicht begreiflichen praktischen
Hey, Die slavischen Siedelungen. 1