System des bürgerlichen Rechts. A. Allgemeine Lehren. 89
Juristische Person ist ein rechtsfähiger Verband. Die juristische Persön-
lichkeit macht den Verband zu einer selbständigen (juristischen) Person
neben den (natürlichen) Personen der Verbundenen und damit das Verbands-
vermögen zu einem selbständigen Vermögen, die Wirtschaft des Verbands
zu einer selbständigen Wirtschaft neben den Einzelwirtschaften der Ver-
bundenen. Die Rechte der juristischen Person sind Rechte des Verbandes,
nicht Rechte der Verbundenen, und die Schulden der juristischen Person sind
nur Schulden des Verbandes, keine Schulden der Verbundenen. Wie der
Verband von den (gegenwärtig) Verbundenen, so sind die Verbundenen vom
Verbande wirtschaftlich gelöst. Durch die Rechtsform der juristischen Per-
son ist die wirtschaftliche Befreiung der Einzelpersönlichkeit vollendet,
zugleich die wirtschaftliche Macht der Verbände voll entfesselt und damit
den beiden Grundpfeilern unseres heutigen Kulturlebens vollkommenere Ge-
stalt gegeben worden.
Es versteht sich von selber, daß das bürgerliche Gesetzbuch für die Ver-
bände der Gegenwart die juristische Persönlichkeit als die Form ihres körper-
schaftlichen Daseins aufgenommen hat. Die deutschrechtliche Genossenschaft
ist als die unentwickeltere Form vom bürgerlichen Gesetzbuch ausgeschlossen
worden: sie begegnet nur noch landesrechtlich für gewisse altüberliefertc Ver-
bände (z. B. die Realgemeinden, vgl. das Einführungsgesetz Art. 164), denen
von früheren Zeiten her die altertümliche Rechtsform der deutschen Genossen-
schaft verblieben ist.
III. Vereine und Stiftungen. Die gegebenen Träger der juristischen
Persönlichkeit sind die großen Verbände des öffentlichen Rechts: Staat, Ge-
meinde, Kirche. Sie sind die Führer der Entwickelung, aus der die juristische
Person hervorging. Die Verbände des öffentlichen Rechts besitzen kraft ihres
Daseins ohne weiteres auch die Rechtsfähigkeit des Privatrechts, d.h. die ju-
ristische Persönlichkeit. So wird denn auch vom bürgerlichen Gesetzbuche
die Rechtsfähigkeit der ‚juristischen Personen des öffentlichen Rechts‘ als ge-
geben vorausgesetzt. Sie wird durch das öffentliche Recht verliehen, nicht
durch das bürgerliche Gesetzbuch.
Die vom bürgerlichen Recht zu lösende Frage ist nur, wieweit auch die
Privatperson imstande sein soll, juristische Personen ins Leben zu rufen, Ver-
bände zu schaffen, die nach Art des Staates ewigen Lebens fähig sind. Es han-
delt sich um die Rechtsfähigkeit von Vereinen und Stiftungen, d.h. um die
auf Grund eines Rechtsgeschäfts entstehenden juristischen Personen des
Privatrechts. Ihre Schöpfung bedeutet Bindung von Vermögen zur Er-
reichung bestimmter von der Privatperson gesetzter Zwecke. Wie weit soll
hier die Freiheit der Privatperson gehen?
Für die Stiftungen hat das bürgerliche Gesetzbuch im Anschluß an das
frühere gemeine Recht das Genehmigungsprinzip und damit in der Sache das
Verleihungsprinzip festgehalten. Eine rechtsfähige Stiftung kommt zu-
stande durch die private Willenserklärung des Stifters (das Stiftungsgeschäft)
Juristische
Personen des
öffentlichen
Rechts.
Juristische
Personen des
Privatrechts.
Stiftungen.