Vereine.
90 RUDOLPH SOHM: Bürgerliches Recht.
und durch die Genehmigung des Staats. Mit der Genehmigung verleiht der
Staat der Stiftung die Rechtsfähigkeit. Die Genehmigung ist Gnadensache.
Sie ist ganz von dem freien Ermessen der Staatsgewalt abhängig. Die dauernde
Bindung von Vermögen durch einen Einzelnen (den Stifter) soll und muß
der staatlichen Aufsicht unterworfen sein, um der Unberechenbarkeit der Einzel-
willkür ein Gegengewicht zu setzen. Denn Stiftungsvermögen ist Vermögen
der toten Hand, der freien Beteiligung am nationalen Wirtschaftsleben ent-
zogen. Daher die Notwendigkeit einer staatlichen Einschränkung der Stifter-
willkür.
Anders steht die Frage nach der Rechtsfähigkeit der Vereine. Die Vereins-
bildung beruht nicht lediglich in der Willkür des Einzelnen. Sie ist ein Be-
dürfnis des nationalen Lebens. In den Vereinen gelangen die Strömungen,
welche weitere Volkskreise erfüllen, zur Organisation und damit zugleich zur
Kraftentfaltung: Strömungen wie von geselliger so von wirtschaftlicher, reli-
giöser, politischer Art. Der gegründete Verein bedarf des Vermögens. Die
beste Rechtsform für das Vereinsvermögen ist die juristische Persönlichkeit.
Der Erwerb der juristischen Persönlichkeit (der Rechtsfähigkeit) bedeutet die
Vollendung der Vereinsgründung, die Krönung der Organisation. Daher die
Frage: wie weit soll hier der Staat in das Vereinsleben eingreifen? Soll er allen
erlaubten Vereinen die juristische Persönlichkeit ohne weiteres freigeben, ebenso
wie den Verbänden des öffentlichen Rechts?
Die Frage hängt mit der allgemeinen Vereinspolitik des Staats zusammen.
Im römischen Kaiserreich galt keine Vereinsfreiheit. Erlaubt war nur der durch
die Staatsgewalt ausdrücklich genehmigte Verein, und in der Genehmigung
lag zugleich die Verleihung der juristischen Persönlichkeit, ganz gerade so wie
heute bei den Stiftungen. Für den Verein der römischen Kaiserzeit war wie
sein Dasein so auch seine Rechtsfähigkeit ein freies Geschenk der Staatsgewalt.
Vereinsgründung war Gnadensache. Auf dem gleichen Grundsatz stand der
absolute Polizeistaat, der bei uns in Deutschland von der Mitte des 17. bis in
die Mitte des 19. Jahrhunderts blühte. Die Vereinsgründung unterstand dem
Ermessen der Polizeibehörde, und Rechtsfähigkeit konnte der Verein sowohl
nach gemeinem Recht wie nach den Partikularrechten nur durch staatliche
Verleihung der juristischen Persönlichkeit erlangen. Das Verleihungsprinzip
für den Erwerb der Rechtsfähigbeit des Vereines entspricht der Unfreiheit der
Vereinsbildung.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist der absolute Polizeistaat in Deutsch-
land durch den auf die Gedanken des Liberalismus gegründeten parlamen-
tarischen Rechtsstaat der Gegenwart abgelöst worden. Zu den Freiheitsrechten
des modernen liberalen Staats gehört die Vereinsfreiheit. Die Freiheit der
Vereinsbildung ist fast überall in Deutschland wenigstens grundsätzlich von
öffentlichen Rechts wegen zugestanden worden. Die Änderung des öffentlichen
Rechts mußte auf das Vereinsprivatrecht einwirken, wenngleich das Privat-
recht naturgemäß dem Umschwunge der politischen Ideen mit langsamerem
Schritte nachfolgte. Zunächst blieb es überall für den Erwerb der juristischen