94 RupoLpH SoHM: Bürgerliches Recht.
herbeiführt. Diese unmittelbar die Vermögensänderung bewirkenden Rechts-
geschäfte, z. B. die Veräußerung (Übereignung), Verpfändung, Erlaß einer
Schuld, sind Verfügungsgeschäfte. Die Verpflichtungsgeschäfte sind die
Kreditgeschäfte, die Verfügungsgeschäfte aber die Leistungsgeschäfte des Ver-
kehrs. Der Austausch der Güter wird durch Verpflichtungsgeschäft vorbereitet,
durch Verfügungsgeschäft bewirkt. Um der Verfügungsgeschäfte (des Güter-.
austausches) willen ist der ganze Verkehr da.
Abgeleiteter V. Legitimation. Das Verfügungsgeschäft vermittelt den sog. abge-
“werd jeiteten Rechtserwerb. Der Verfügungserwerber ist der Nachmann. Der Ver-
fügende (z. B. der Veräußernde, Verpfändende, Erlassende) ist sein Vormann
(auctor). Der Erwerb des Nachmanns ist von dem Rechte des Vormanns ab-
hängig. Nur die Verfügung des Verfügungsberechtigten (des wahren Eigen-
tümers, des wahren Gläubigers) ist durch sich selber eine wirksame Verfügung.
Der Verfügungserwerb ist ein durch das Recht des Vormanns bedingter
Erwerb.
So notwendig diese Sätze erscheinen, so unzulänglich sind sie doch für den
Verkehr. Der Erwerber ist außerstande, die Berechtigung seines Vormanns
jedesmal hinlänglich nachzuprüfen. Der abgeleitete Erwerb durch Verfügungs-
geschäft ist als solcher ein unsicherer Erwerb. Das Recht der Verfügungs-
geschäfte bedarf im Verkehrsinteresse einer Ergänzung.
Ersitzung. Im römischen Recht ist zu diesem Zweck die Ersitzung ausgebildet
worden. Sie dient ergänzend wenigstens für den Sachverkehr. Wer gutgläubig
durch Veräußerungsgeschäft eine Sache vom Nichteigentümer erworben hatte,
erwarb in der Regel trotz mangelnden Rechts seines Vormanns das Eigentum
nachträglich durch Ersitzung, d.h. dadurch, daß er die Sache eine bestimmte
Zeitlang besaß. Nach dem Rechte des Corpus Juris werden bewegliche Sachen
in drei Jahren, Grundstücke in zehn bzw. zwanzig Jahren vom gutgläubigen
Erwerber ersessen. Die römische Ersitzung ist im 16. Jahrhundert durch Auf-
nahme des römischen Rechts auch bei uns zur Geltung gelangt. Sie sichert den
Erwerb des Sacherwerbers. Aber sie sichert ihn erst nach Ablauf einer geraumen
Zeit. Es bleibt dabei, daß grundsätzlich der wahre Eigentümer dem verkehrs-
mäßigen Erwerber vorgeht. Nur daß dem Eigentümer für die Geltendmachung
seines Eigentums eine bestimmte Frist (die Ersitzungsfrist) gesetzt ist.
Dem neuzeitlichen Verkehr kann die Ersitzung nicht genügen. Einmal:
die Ersitzung schützt nur den Eigentumserwerb an Sachen, nicht sonstigen
verfügungsmäßigen Erwerb. Zum andern: die Ersitzung arbeitet zu langsam.
Der Verkehr der Gegenwart fordert sofortige Sicherheit des verkehrsmäßigen
Erwerbs. Der Verkehr von heute kann nicht warten. Er will sofort den Vorrang
des Erwerbers vor dem Eigentümer. Der Schutz des gutgläubigen Verkehrs ist
ihm wichtiger als der Schutz des wahren Eigentums. Der geldwirtschaftliche
Verkehr verlangt die Beseitigung der Ersitzungsfrist.
Legitimation, Die große Reform des Verkehrsrechts, um die es sich an dieser Stelle han-
delt, ist durch das bürgerliche Gesetzbuch vollzogen worden. Die Ersitzung