96 RuboLpH SOoHM: Bürgerliches Recht.
diktiert: das Interesse am Schutz des Austausches, des Umsatzes der Güter
ist stärker als das Interesse an der Aufrechterhaltung des bestehenden Rechts.
Mia ver VI. Schutz der Rechte. Der Schutz der Rechte gegen tatsächliche
“Verletzung kann nur ausnahmsweise durch die Eigenmacht des Berechtigten
vermittelt werden. Wie nach bisherigem gemeinen Recht, so ist auch nach dem
bürgerlichen Gesetzbuche die Selbsthilfe grundsätzlich nur im Notfall gestattet:
soweit obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist. Der Grundsatz für
den Rechtsschutz lautet: Staatshilfe, nicht Selbsthilfe. Es bedarf des Gerichts-
verfahrens, des Prozesses, um die Wiederherstellung des verletzten Rechts zu
erzwingen. Hier ist der Punkt, wo das Privatrecht sich dem öffentlichen Recht
einordnet: das Privatrecht wird ergänzt durch das öffentliche Recht.
Das Gerichtsverfahren für Privatrechtsstreitigkeiten ist in der Zivilprozeß-
ordnung geregelt, nicht im bürgerlichen Gesetzbuche. Die scharfe Scheidung
zwischen den (öffentlichrechtlichen) Rechtssätzen vom Verfahren und den für
das Sachverhältnis geltenden Rechtssätzen des Privatrechts ist vom bürger-
lichen Gesetzbuche grundsätzlich durchgeführt. So ist denn auch an dieser
Stelle im bürgerlichen Gesetzbuche nicht von der Klage die Rede, sondern nur
vom Anspruch.
Anspruch. Anspruch im Sinne des bürgerlichen Gesetzbuchs ist der Leistungs-
anspruch, d.h. das private Recht auf gegnerischeLeistung. Der Anspruch er-
wächst dem Privatrecht, soweit die Verwirklichung des eigenen Rechts einer
gegnerischen Handlung bedarf. Insoweit besteht das Bedürfnis nach staatlichem
Schutze, um den nicht freiwillig leistenden Gegner zu der von ihm zu erbringen-
den Handlung zu nötigen. Mit dem Dasein des Anspruchs ist die privatrecht-
liche Voraussetzung für die Gewährung des staatlichen Schutzes erfüllt. Der
Anspruch stellt das für den Rechtsschutz reife Privatrecht dar, und es bedeutet
die Gewährung eines Anspruchs durch das bürgerliche Gesetzbuch daher zu-
gleich die Tatsache, daß bei Erfüllung auch der prozeßrechtlichen (öffentlich-
rechtlichen) Bedingungen Staatsschutz gewährt werden wird.
Der Anspruch ist stets gegen einen persönlich bestimmten Gegner ge-
richtet. Aber die Person des Gegners ist bald schon durch den Inhalt des an-
spruchgeschützten Rechts, bald erst durch eine Beeinträchtigung des Rechts
gegeben. Im ersten Fall spricht man, im Anschluß an römische Kategorien,
von einem persönlichen, im zweiten von einem dinglichen Anspruch. Persön-
lich sind alle Ansprüche aus Forderungsrechten: schon der Inhalt des Forde-
rungsrechts bestimmt den Anspruchsgegner (den Schuldner). Dinglich sind die
Ansprüche aus den Sachenrechten und den personenrechtlichen Herrschafts-
rechten, z. B. der Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe der Sache, der
Anspruch des Vaters auf Herausgabe des Kindes. Auch der Erbschaftsanspruch,
durch den das Erbrecht gegen einen unberechtigten Erbschaftsbesitzer geltend
gemacht wird, ist ein dinglicher Anspruch. Immer bestimmt sich in diesen
Fällen die Persog des Anspruchsgegners nicht schon durch den Inhalt des
geltend gemachten Rechtes selbst. Der dingliche Anspruch ist eine bloße