System des bürgerlichen Rechts. B. Das Recht der Schuldverhältnisse. 99
schutz allen Sachbesitzern gegeben worden. Es liegt darin eine Erstreckung
der Freiheitsrechte zugunsten der breiten bürgerlichen Masse. So ist durch
die Zuständigkeit des Besitzanspruchs der Mieter von privater Zwangsgewalt
des Vermieters befreit worden. Auch in den unscheinbaren Besitzansprüchen
des bürgerlichen Gesetzbuchs kommt die bürgerlich-freiheitliche Kultur der
Gegenwart zum Ausdruck. Unser Besitzrecht ist bürgerlicher, demokratischer
Natur.
B. Das Recht der Schuldverhältnisse.
I. Wesen des Forderungsrechts. Mit dem Recht der Schuldverhält-
nisse eröffnet sich das Vermögensrecht. Das Vermögensrecht zerfällt in Schuld-
recht und Sachenrecht.
Das Recht der Schuldverhältnisse ist mit dem Recht der Forderungsrechte Inhalt des
gleichbedeutend. Der Inhalt des Forderungsrechts erschöpft sich darin, daß "er
es eine Schuldverpflichtung hervorbringt. Das Forderungsrecht ist nicht das
Recht, daß man selber handele, sondern nur das Recht, daß ein bestimmter
anderer handele. Die Verwirklichung des Forderungsrechts ist nur durch das
Mittel fremder Handlung (die Leistung des Schuldners) möglich. Darum be-
steht das Forderungsrecht, z. B. das Recht des Darlehnsgläubigers, lediglich
in einem Anspruche, d. h. in dem nur durch gerichtliche Geltendmachung (Klage)
durchzusetzenden Recht, eine Leistung von einem bestimmten anderen (dem
Schuldner) zu verlangen. Eigenmächtige Ausübung des Forderungsrechts ist
ausgeschlossen. Das Forderungsrecht gewährt keine gegenwärtige Herrschafts-
erweiterung.
Darum ist das Forderungsrecht, solange es besteht, unbefriedigt: die
Handlung, auf die es sich richtet, ist noch nicht vollbracht. Sein Inhalt ist
auf die Zukunft gerichtet: einen bestimmten Leistungserfolg hervorzubringen.
Sobald der Leistungserfolg da ist, hat das Forderungsrecht seine Schuldigkeit
getan. In seiner Befriedigung geht es unter. Sobald es zu dem Augenblicke
sagen möchte: verweile doch, du bist so schön, nimmt sein Dasein ein Ende.
Das Forderungsrecht ist da, damit es in seiner Befriedigung untergehe. Das
Forderungsrecht ist nicht Zweck, nur Mittel des Vermögensverkehrs.
II. Die Haftung des Schuldners. Das durch das Forderungsrecht
gesetzte Schuldverhältnis erzeugt die persönliche Haftung des Schuldners für
Erbringung der geschuldeten Leistung. In alter Zeit haftete der Schuldner mit
seiner ganzen Persönlichkeit. Der Schuldner fiel, wenn er nicht leistete, mit
Leib und Leben, mit Hab und Gut in die Gewalt des Gläubigers. Die Eingehung
der Schuldverbindlichkeit vollzog sich durch Pfandsetzung der eigenen Person.
Die Folge der Nichterfüllung der Schuld war die Schuldknechtschaft, die später
in Schuldhaft sich verwandelte. Der letzte Rest der Haftung des Schuldners
mit seinem Leibe ist die Wechselhaft gewesen, die erst durch die Gesetzgebung
des neuen Deutschen Reichs beseitigt worden ist.
Heute bedeutet die persönliche Haftung des Schuldners nur noch die Haf-
7°
rechts
Persönliche
Schuldhaftung.