Legitimation
des Besitzers.
120 RupoLPpH SOHM: Bürgerliches Recht.
belebung des alten Rechtes ein, wenngleich wiederum unter ganz anderen Ge-
sichtspunkten als zuvor. Zuerst hat hier das Handelsgesetzbuch eingegriffen;
das handelsrechtliche (kaufmännische) Fahrnisrecht ist nunmehr durch das
bürgerliche Gesetzbuch bürgerliches Recht geworden.
Der Satz Hand wahre Hand ist nach dem bürgerlichen Gesetzbuche maß-
gebend für den Rechtserwerb an Fahrnis. Ein Nichteigentümer besitzt die
bewegliche Sache etwa als Verwahrer. Oder aber er hat sie gestohlen. Er ver-
äußert die Sache oder verpfändet sie oder bestellt einen Nießbrauch daran.
Welche Wirkung wird sein Verfügungsgeschäft haben? Nach römischem und
gemeinem Recht war die Verfügung, weil von einem Nichtberechtigten vor-
genommen, schlechtweg unwirksam. Nach dem bürgerlichen Gesetzbuche aber
ist (gemäß dem Rechtssatze Hand wahre Hand) zu unterscheiden, ob der Be-
sitz vom wahren Eigentümer freiwillig aufgegeben oder aber ihm ohne Willen
abhanden gekommen war. Nur im letzteren Falle (die Sache war ihm also z. B.
gestohlen worden) ist er Eigentümer geblieben und kann den Eigentums-
anspruch gegen den gegenwärtigen Besitzer geltend machen. Im ersteren Falle
aber (er hatte also z. B. dem Veräußerer die Sache zur Verwahrung gegeben)
verliert er sein bisheriges Eigentum; der gutgläubige Erwerber ist durch die
Verfügung des Nichtberechtigten Eigentümer (bzw. Pfandberechtigter oder
Nießbrauchberechtigter) geworden. Dem bisherigen Eigentümer bleibt nur
ein persönlicher Anspruch gegen den Verfügenden.
Der Sinn dieser Rechtssätze ist: der Nichtberechtigte wird durch den Be-
sitz der Fahrnis zur Verfügung über die Fahrnis zugunsten des gutgläubigen
Verkehrs legitimiert. Nur bei unfreiwilligem Besitzverlust des wahren Eigen-
tümers versagt seine Legitimation, und auch diese Einschränkung wird hin-
fällig, wenn es sich um Geld oder Inhaberpapiere oder Sachen handelt, die im
Wege öffentlicher Versteigerung veräußert wurden. Geld, Inhaberpapiere,
öffentlich versteigerte Sachen werden vom gutgläubigen Erwerber schlechtweg
zu Eigentum erworben, auch wenn sie dem wahren Eigentümer gestohlen oder
sonst ohne Willen abhanden gekommen waren. Der alte Satz Hand wahre Hand,
der einst dem Mangel eines reinen Eigentumsanspruchs seinen Ursprung ver-
dankte, dient heute in neuer Wendung der Sicherung des geldwirtschaftlichen
Verkehrs. Er dient, das bürgerlich-kaufmännische Recht der Gegenwart zu
fördern, dem der Schutz des Umsatzes an erster Stelle steht.
Der Fahrnisbesitz legitimiert als Eigentümer nicht bloß für den Verkehr,
sondern auch für den Eigentumsanspruch: es wird nach dem bürgerlichen Ge-
setzbuche vermutet, daß der Besitzer einer beweglichen Sache Eigentümer sei.
Der Besitzer braucht also in der Regel keinen Eigentumsbeweis zu erbringen.
Ja, der redliche, d.h. der irgendwie rechtmäßig (sei es auch nur durch Ver-
wahrungsgeschäft oder durch Finden) erworbene Fahrnisbesitz erzeugt bei un-
freiwilligem Besitzverlust einen petitorischen (nicht bloß vorläufig wirken-
den) dinglichen Herausgabeanspruch gegen den schlechter berechtigten gegen-
wärtigen Besitzer.
Auf dem Gebiete des Fahrnisrechts spielt der Besitz die entscheidende