Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

System des bürgerlichen Rechts. D. Das Familienrecht. 125 
Das Ideal der Ehe ist die christliche Ehe. Kann die Rechtsordnung machen 
oder wenigstens helfen, daß die Ehe eine christliche Ehe sei? Diese Frage ist 
durch die Rechtsentwickelung verneint worden. 
Die Säule der Familienordnung ist die hausherrliche Gewalt des Mannes. 
Die alte Zeit machte den Mann zum unumschränkten Herrn seines Hauses. 
Er war die einzige freie, mündige Persönlichkeit im Kreise der Hausgenossen. 
Frau und Kind waren ihm in gleicher Weise untertan. Kann die Rechtsordnung 
mit der Gewalt des Mannes den rechtlichen Schutz der Persönlichkeit der Frau 
und der Kinder verbinden? Diese Frage ist durch die Rechtsentwickelung be- 
jaht worden. 
Mit diesen beiden Sätzen haben wir bereits den wesentlichen Inhalt des 
im bürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen Familienrechts ausgesprochen. 
I. Die Kirche und das Eherecht. Es liegt: am nächsten, die Macht 
der Kirche anzurufen, sobald die Erfüllung der Ehe mit christlichem Geiste in 
Frage steht. So ist es denn auch geschehen. 
Die Kirche des Mittelalters erklärte die Ehe für ein Sakrament. Sie nahm 
folgeweise die Ehegesetzgebung für sich, und zwar für sich allein, in Anspruch, 
Sie entwickelte ein Eherecht, das kanonische Eherecht, das den Anspruch er- Das kanonische 
hob, das aus dem Inhalt des Christentums sich ergebende Eherecht darzustellen. Ihereeht, 
Das christliche Eherecht der Kirche sollte helfen, die christliche Ehe hervor- 
zubringen. 
Die Ehegesetzgebung der Kirche bezog sich vor allem auf die Eheschließung 
und die Ehescheidung. 
Die Voraussetzungen der Eheschließung wurden durch die kirchliche Ge- Ehehindernisse. 
setzgebung über die Ehehindernisse geregelt. Dem altdeutschen Recht waren 
Ehehindernisse unbekannt. Die .Kirche stellte vor allem zwei große Grundsätze 
auf: daß die Ehe eine monogamische Ehe, und daß die Ehe unter Verwandten 
verboten sei. 
Schon zur Zeit der Urwälder war die Einehe bei den Deutschen die Regel. Einebe. 
Aber die grundsätzliche Forderung der Einehe war dem ursprünglichen deut- 
schen Rechte unbekannt. Zwar konnte die Frau nur einem Manne gehören, 
aber der Mann konnte mehrere Frauen haben. Hier hat die Gesetzgebung der 
Kirche entscheidend mitgewirkt, die monogamische Ehe als die allein zulässige 
durchzusetzen und so die unveräußerliche Grundlage rechten Ehelebens her- 
zustellen. 
In der Aufstellung des Hindernisses der Verwandtschaft aber ging die Hindemis der 
kirchliche Ehegesetzgebung über das Maß hinaus. Sie verbot nicht bloß die Y"4hat 
Ehe unter den nächsten Verwandten, sondern die Ehe unter Verwandten über- 
haupt. Nach deutschem Recht ging die Verwandtschaft in der Seitenlinie bis 
zum 7. Grade deutscher Gradzählung (die Grade werden vom gemeinschaft- 
lichen Stammvater herunter nur auf der. einen Seite gezählt): Ururenkel von 
Andergeschwisterkindern haben den 7. Grad (so wenigstens nach der regel- 
mäßigen, vom kanonischen Recht angenommenen deutschen Gradzählung).
	        
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