System des bürgerlichen Rechts. D. Das Familienrecht. I3I
zerstören. In den Forderungen des neuzeitlichen Staatslebens vollziehen sich
zugleich die Forderungen eines höheren Gesetzes: das Christentum will seine
Loslösung von dem in Zwangsform einhergehenden Recht; Christus will nicht
durch das Schwert verteidigt sein.
Auf dem Gebiet des Eherechts hat hier das bürgerliche Gesetzbuch das
entscheidende Werk getan. Das ‚‚christliche‘‘ Eherecht ist durch bürgerliches
Eherecht ersetzt worden. Die Ehe ist ein weltlich Ding. Das Eherecht ist welt-
liches Eherecht. Seinen Inhalt empfängt es durch die Anforderungen des
nationalen Lebens. Nicht was um des Evangeliums willen, sondern was um
der Gesundheit des Volkslebens willen zu fordern und nötigenfalls zwangsweise
durchzusetzen ist, soll und kann den Inhalt des Eherechts bilden. Die protestan-
tische Kirche erkennt die staatliche Ehegesetzgebung an. Die katholische Kirche
aber fügt sich der Staatsgesetzgebung nicht. Sie behauptet innerhalb ihres
Machtkreises den Vorrang ihres kanonischen Eherechts und weist ihre An-
gehörigen an, nur im Bereich des bürgerlichen Lebens, nicht im Gewissen das
staatliche Eherecht als geltendes Recht zu beachten. Die Durchbringung der
eherechtlichen Abschnitte des bürgerlichen Gesetzbuchs im Reichstage hat
darum Schwierigkeiten gemacht. Fast schien es, als könnte an dem Eherecht
Bürgerliches
Eherecht.
Standpunkt der
katholischen
Kirche.
das ganze Gesetzeswerk scheitern. So erklären sich einige Zugeständnisse, die Standpunkt des
der katholischen Zentrumspartei gemacht wurden. Der Abschnitt von der Ehe
empfing die Überschrift „Bürgerliche Ehe‘. Der Standesbeamte wurde an-
gewiesen, bei der Eheschließung die Eheleute für „kraft dieses Gesetzes‘‘, näm-
lich kraft des bürgerlichen Gesetzbuchs rechtmäßig verbundene Eheleute zu er-
klären. Danach könnte es so scheinen, als wenn es nach dem bürgerlichen Ge-
setzbuche noch eine andere Ehe als die ‚‚bürgerliche‘‘ Ehe, nämlich die ‚‚christ-
liche‘‘ Ehe des kanonischen Rechtes, als ob es neben dem Eherecht des bürger-
lichen Gesetzbuchs noch ein anderes Eherecht, das kanonische, ‚‚christliche‘
Eherecht gäbe. Überdies ward um der Katholiken willen neben der Scheidung
eine der katholischen dauernden Trennung von Tisch und Bett ähnliche ‚‚Auf-
hebung der ehelichen Gemeinschaft‘ in das Gesetzbuch aufgenommen. Aber
alle diese Zugeständnisse sind nur äußerlicher Art. Das bürgerliche Gesetzbuch
spricht es ausdrücklich aus ($ 1588), daß nur ‚‚die kirchlichen Verpflichtungen
in Ansehung der Ehe‘ durch das Gesetz ‚nicht berührt‘‘ werden. Damit ist
der Standpunkt des Gesetzes gegenüber dem kanonischen Recht klargelegt.
Das kanonische Recht ist kein Eherecht. Es ist lediglich eine innerkirchliche
Ordnung der „kirchlichen Verpflichtungen in Ansehung der Ehe‘. Es gilt nur
innerhalb dieses kirchlichen Verbandes. Es hat keinerlei Geltung als Rechts-
gesetz für das Gemeinleben, sondern nur die Geltung einer Körperschaftssatzung
für das kirchliche Leben. Das bürgerliche Eherecht des Gesetzbuchs ist das
einzige Eherecht, und die bürgerliche Ehe die einzige Ehe im Rechtssinn.
Es gibt im Deutschen Reiche kein „christliches‘‘, sondern nur noch bürgerliches,
weltliches, nationales Eherecht.
ll. Die Eheschließung. Sollte ein weltliches, von der Gesetzgebung
9°
bürgerlichen
Gesetzbuchs.