Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

142 RuDoLPH SOHM: Bürgerliches Recht. 
des Nachlaßkonkurses. Sie dient der Befriedigung der Gläubiger und der Aus- 
antwortung des (etwaigen) Restes an den Erben. 
Erbfolgeordnung. Erben sind an erster Stelle die Kinder und Kindeskinder des Erblassers, 
dann seine Eltern und Geschwister und deren Kinder, an dritter Stelle seine 
Großeltern bzw. deren Abkömmlinge (Onkel und Tanten, Vettern usw.), an 
vierter Stelle die Urgroßeltern und ihre Deszendenz usf. Für die Erbfolge ist 
die Verwandtschaft nach Deszendentengruppen (sog. Linien, Parentelen, Ord- 
nungen) gegliedert. Mit den Verwandten aber ist der Ehegatte erbfolgeberech- 
tigt. Neben Kindern nimmt er ein Viertel, neben Eltern, Geschwistern und 
Geschwisterkindern, auch neben Großeltern nimmt er die Hälfte der Erbschaft; 
fernere Verwandte schließt er aus, so daß ihm allein der ganze Nachlaß zufällt. 
Eine Verwandtschaftsgrenze hat das bürgerliche Gesetzbuch für die Erbfolge 
nicht aufgestellt. Ist kein Ehegatte da, so kann auch der entfernteste Ver- 
wandte Erbrecht geltend machen. Nur wenn weder ein Ehegatte noch irgend- 
welche Verwandte da sind, tritt der Staat (der Fiskus) als Erbe ein. 
Erbrecht II. Verfügung von Todes wegen. Das Erbrecht der Verwandten 
der Famäie- und des Ehegatten bedeutet das Anrecht der Familie auf das Vermögen. Es 
beruht geschichtlich auf der Vermögensgemeinschaft des Erblassers mit seinen 
Hausgenossen (ja einstmals mit allen Sippegenossen), auf der Tatsache, daß der 
Erblasser nicht freier Eigentümer seines Vermögens war. Selbst das Erbrecht 
des Staats hat seinen geschichtlichen Hintergrund in einem gleichen Rechts- 
gedanken: in der urzeitlichen Vermögensgemeinschaft aller Volksgenossen, aus 
der erst durch Aufteilung das Eigentum der Sippe, dann des Hauses, dann des 
Einzelnen hervorgegangen ist. 
Testament und Eine langsam aufsteigende Entwickelung hat das freie Eigentum des Einzel- 
“bveriäs nen aus ursprünglichem Gesamteigentum hervorgebracht. Der Schlußstein in 
dieser Entwickelung ist die Ausbildung der Verfügung von Todes wegen. Sie 
bedurfte noch während des ganzen Mittelalters, sobald über den Nachlaß als 
solchen verfügt werden sollte, der obrigkeitlichen Mitwirkung, der Errichtung 
vor Gericht, in den Städten vor dem Rat (daraus sind die öffentlichen Testaments- 
formen der Gegenwart entsprungen). Die Mitwirkung der Obrigkeit bedeutete 
nach mittelalterlichem Recht die obrigkeitliche Genehmigung. Erst durch die 
Aufnahme des römischen Rechts ist das freie Testament aufgekommen, und 
die Errichtung vor der Obrigkeit zu einer bloßen Form, der öffentlichen Testa- 
mentsform, geworden. Neben dem römischen Testament, das einseitig allein 
vom Erblasser errichtet wird, ist im Anschluß an deutsch-mittelalterliches 
Recht der Erbvertrag anerkannt worden, d.h. eine vertragsmäßig den Erb- 
lasser bindende Verfügung von Todes wegen (Erbeseinsetzung, Vermächtnis, 
Auflage). 
So hat denn auch das bürgerliche Gesetzbuch beides nebeneinander: das 
Testament als die einseitige, frei widerrufliche, den Erbvertrag als die vertrags- 
mäßige, unwiderrufliche Verfügung von Todes wegen. 
Das Neue im bürgerlichen Gesetzbuch ist die volle Durchführung der Ver-
	        
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