Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Literatur. 153 
wendung zur Praxis, immer lebendiger das Verlangen nach der Behandlung eines 
nicht bloß künstlerisch vollendeten, sondern tatsächlich geltenden, dem Wirklichen 
zugewandten Rechtes. IHERING gab die neue Losung aus. In seinen geistvollen rechts- 
geschichtlichen Studien („Geist des römischen Rechtes‘), in seinen Ausführungen über 
den „Zweck im Recht‘ und noch mehr in zahlreichen Abhandlungen über Einzelfragen 
betonte er wirkungsvoll den Zusammenhang der geschichtlichen Entwickelung des 
Rechtes der Gegenwart und der Vergangenheit mit den Bedürfnissen des tatsächlichen 
Lebens. Die deutsche Rechtswissenschaft begehrte nach dem Bund mit der Rechts- 
anwendung, nach der Verschwisterung der Rechtsdogmatik wie mit dem Geist der 
Geschichte so mit der Erforschung der Interessen, die über den Inhalt der Rechts- 
sätze und damit über die Geltung der Rechtsbegriffe maßgebend entscheiden. 
Alles war bereit. Das Deutsche Reich kam. Das deutsche bürgerliche Gesetzbuch 
ward abgefaßt. Eine deutsche Wissenschaft war da, fähig und gewillt, eine Lehr- 
meisterin des neuen bürgerlichen Rechts zu werden, das große Gesetzeswerk nicht 
bloß als Erzeugnis der Vergangenheit geschichtlich zu verstehen, sondern seinen Inhalt 
zugleich gedanklich, begrifflich zu beherrschen, um ihn geschickt zu machen, den un- 
aufhaltsam fortschreitenden Lebensanforderungen zu dienen und Träger auch der 
kommenden Entwickelung zu sein. 
Die Literatur zum bürgerlichen Gesetzbuche ist bereits eine sehr umfang- 
reiche. Die Führung haben die Kommentare und die Lehrbücher. Unter den Kom- 
mentaren hat grundlegende Bedeutung der von PLANCK (und Mitarbeitern) heraus- 
gegebene, von dem seit 1903 die 3. Aufl. erschienen ist; die vierte Auflage unter STRO- 
HAL’S Leitung ist im Werke. Die größte Verbreitung hat der auf die Bedürfnisse der 
Praxis trefflich eingerichtete, bereits in 9. Auflage erschienene Kommentar von V. STAU- 
DINGER (und Mitarbeitern) gewonnen. Unter den Kommentaren zu einzelnen Teilen des 
bürgerlichen Gesetzbuches ragt hervor: OERTMANN, Recht der Schuldverhältnisse, 3. und 
4. Aufl. 1910.— Von den _Lehrbüchern sind hervorzuheben: DERNBURG, Das bürgerliche 
Recht (5 Bände, 3.und 4. Aufl. seit 1903; der 6.Band, Urheber-, Patent- und Zeichenrecht 
enthaltend, von KOHLER; dem Landesprivatrecht sind 8 Ergänzungsbände gewidmet); 
CROME, System des deutschen bürgerlichen Rechtes (s Bände ı1900ff.); ENDEMANN, 
Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes (3 Bände, 9. Auflage. 1903ff.); CosAack, Lehrbuch 
des bürgerlichen Rechtes (5. Auflage ıgı1); ENNECCERUS, KıiPp und WOLFF, Lehrbuch 
des bürgerlichen Rechtes (8. Auflage ı9ı11); MATTHIASS, Lehrbuch des bürgerlichen 
Rechts (5. Auflage, 1910); LANDSBERG, Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes (1904). Eine 
wertvolle Übersicht über das neue bürgerliche Recht in Vergleichung mit dem römischen 
Recht gibt Kırpp in der 9. Auflage von WINDSCHEID, Lehrbuch des Pandektenrechts 
(3 Bände, 1906). — Von den zahlreichen monographischen Arbeiten haben be- 
sonders hervorragende Bedeutung: STROHAL, Das deutsche Erbrecht auf Grundlage 
des bürgerlichen Gesetzbuchs (3. Auflage, 2 Bände, 1903. 1905); HELLWIG, Anspruch 
und Klagerecht (1900). Im wesentlichen bereits veraltet ist trotz ihrer neuen Auflage 
die Schrift von A. MENGER, Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen 
(3. Auflage, 1904). Das Buch enthält eine Kritik des ersten Entwurfs zum bürgerlichen 
Gesetzbuch und bringt nicht viel anderes als was auch von „bürgerlich‘' gesinnter Seite 
erwogen und dem Entwurf entgegengehalten wurde. Obgleich durch den zweiten Ent- 
wurf und die Arbeit der Reichstagskommission der Inhalt des bürgerlichen Gesetzbuchs 
in wesentlichen Punkten geändert und fortgebildet ist, gibt MENGER noch in der jetzt 
vorliegenden 3. Auflage in unverminderter Breite seine Polemik gegen den ersten Ent- 
wuri wieder, um dann zu den einzelnen Abschnitten lediglich einige kurze Bemerkungen 
über das bürgerliche Gesetzbuch hinzuzufügen. Es macht doch einen merkwürdigen 
Eindruck, wenn auf S. 160—ı93 der 3. Auflage eine lange heftige Polemik gegen die 
Vorschriften des ersten Entwurfs über den Dienstvertrag geführt und dann auf $. 193
	        
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