176 KarL GAREIS: Handels- und Wechselrecht.
für die Handelsbeziehungen zweier Staaten untereinander geworden, der Wechsel-
brief ein Institut des Welthandels und das Wechselrecht im ganzen bis auf ein-
zelnes ein allgemeines oder Weltrecht geworden. Abgesehen von dieser groß-
artigen Erscheinung auf dem Gebiete der Volks- und Völkerwirtschaft sei hier
als bezeichnend für den heutigen Kulturzustand hervorgehoben, daß es gelungen
ist, tiefer in die Geschichte des Wechselinstituts und des Wechselrechts einzu-
dringen. Altarabische, ja althellenische Wurzeln des Wechselrechts sind aus-
gegraben und die Theorie des juristischen Wesens des Wechsels ist erheblich
geklärt worden. Fallen gelassen sind, selbst von den Schriftstellern der
romanischen Staaten, die alten Ansichten, die die Wechselobligation aus Kauf-
verträgen und ähnlichen materiell gefärbten Vereinbarungen ableiten, und
das Wesentliche der Wechselobligation wird bei allen Arten des Wechsels,
beim gezogenen Wechsel und beim eigenen Wechsel, auch bei Indossament
und beim Akzept stets in dem reinen oder formalen Summenversprechen erblickt.
Freilich ist noch Streit über die Entstehung der bindenden Kraft dieses Ver-
sprechens, ob Kreation oder Vertrag, aber es scheint doch letzteres mehr
und mehr als die Regel und die Kreation nur als Ausnahmekonstruktions-
behelf anerkannt zu werden; die Amortisierbarkeit der Wechsel ist anerkannt
und das Amortisationsrecht im Zusammenhang mit der Zivilprozeßordnung
ausgestaltet; die Verjährung der Wechselforderungen ist zwar an verschiedene
eigenartige Fristen gebunden, im übrigen aber dem allgemeinen bürgerlichen
Recht unterstellt. Im internationalen Wechselrecht ist das Nationalitätsprinzip
(Personalstatut der Verpflichteten) mit den nötigen Konzessionen an das Orts-
recht herrschend geworden. Eine Bewegung ist in der Literatur für Beseitigung
des Requisits der formellen Protestaufnahme, welche in Deutschland durch ein
Gesetz vom 30. Mai 1908, das unter anderem den sog. Postprotest einführt, ver-
einfacht worden ist, jüngst entstanden.
Großartige Bemühungen werden gegenwärtig gemacht, ein einheitliches
Welt-Wechselrecht herzustellen, eine Haager Konferenz (Mai 1912) hat ein
Projekt hierzu ausgearbeitet, doch ist die Annahme eines solchen Weltentwurfs
seitens aller Kulturstaaten, so bedeutend auch die Anlässe hierzu sind, noch in
die Zukunft gestellt; sie hängt auch zusammen mit der noch ausstehenden
einheitlichen Gestaltung des Scheckrechts. Der Scheck, d. i. die Anweisung auf
ein Bankguthaben, entwickelt sich in unserer Zeit stets mehr und mehr zu einer
Unterart des gezogenen Wechsels; so namentlich auch nach dem deutschen
Scheckgesetz vom 12. März 1908, welches einen großen Teil seiner Vorschriften
dem Wechselrecht entnimmt, so namentlich diejenigen, welche den Regreß
betreffen: der Aussteller und die Indossanten eines Schecks haften dem Inhaber
desselben für die Einlösung des Schecks; auch bei dem auf den Inhaber gestellten
Scheck haftet jeder, der seinen Namen oder seine Firma auf die Rückseite des
Schecks geschrieben hat, dem Inhaber für die Einlösung; auf den Bezogenen
findet diese Vorschrift keine Anwendung. Die international-rechtliche Seite
des Schecks ist genau so geordnet wie die des Wechsels. Die früher weit verbreitete
Befehdung des in den modernen Wechselordnungen anerkannten Prinzips der