Altertum.
Mittelalter.
Sog. System der
persönlichen
Rechte
184 Lupwic von Bar: Internationales Privatrecht.
I. Geschichte des internationalen Privatrechts. Die letzterwähnte
Voraussetzung fehlte im Altertum. Nur in beschränkter oder von: Zeit und
Umständen abhängender, in den einzelnen Staaten verschiedener Weise ge-
währte man in Griechenland Angehörigen anderer Staaten Rechtsfähigkeit.
Athen, welches den Handelsverkehr begünstigte, behandelte Fremde oft gleich
den eigenen Bürgern, während Sparta, welches Ausländer fern zu halten wünschte,
durchaus anders sich verhielt. Ansätze zu einem System des internationalen
Privatrechts mit einer freilich nur beschränkt den Fremden zugemessenen
Rechtsfähigkeit finden sich im römischen Peregrinenrecht. Aber die Aus-
bildung des römischen Staates zu einem großen Weltreiche, welchem nach außen
Völker mit gleichzuachtender Kultur nicht gegenüberstanden, und in dem zu-
letzt ein wesentlich einheitliches Recht galt, verhinderte später die Entstehung
eines umfassenden Systems. Ein solches ist vielmehr erst möglich geworden
seit im Mittelalter, einerseits unter dem Einflusse des Christentums, anderseits
infolge der Vereinigung verschiedener Volksstämme mit verschiedenen Stammes-
rechten in einem Staate, die allgemeine privatrechtliche Rechtsfähigkeit der
Ausländer im Prinzip anerkannt wurde, freilich nur im Prinzip; denn allerdings
gelangte im späteren Mittelalter die Engherzigkeit kleinerer, sich gern mög-
lichst abschließender Gemeinwesen wieder zu mannigfachen Ausnahmen. Das
18. und besonders das 19. Jahrhundert führten dagegen jenes große Prinzip
wieder mehr und mehr durch. Doch ist in neuester Zeit eine rückläufige, den
Ausländern ungünstige Bewegung in mehreren Staaten bemerkbar, die in Ruß-
land auch z. B. den Erwerb und Besitz von Grundeigentum Ausländern als
Regel verschließt. (Solcher rückläufigen Bewegung soll aber nicht dienen die
auch im deutschen Rechte zugelassene sog. Retorsion, d.h. die nachteilige
Behandlung der Angehörigen eines anderen Staates, der unsere Staatsangehörigen
nachteilig behandelt; sie verfolgt vielmehr den Zweck, jenen anderen Staat
durch solche Wiedervergeltung zu einer liberalen Behandlung unserer Staats-
angehörigen zu veranlassen.) |
Das System des früheren Mittelalters war das System der sog. per-
sönlichen Rechte. Jeder konnte das Recht des Volkes, das ihm durch Ab-
stammung gleichsam aufgeprägt war, überall geltend machen; in Gemäßheit
dieses Rechtes verpflichtete er sich, veräußerte und erwarb er, und in Gemäß-
heit dieses Rechtes wurde er beerbt, und bei zweiseitigen Rechtsgeschäften war
die Beobachtung der Vorschriften des persönlichen Rechtes jeder der Parteien
erforderlich.
Im späteren Mittelalter verschwand das System der persönlichen Rechte.
Die Autonomie einerseits der großen Grundbesitzer, anderseits der Städte
machte den Grund und Boden von dem am Orte der Sache geltenden Rechte
abhängig, und Aufnahme in den Verband der städtischen oder der unter einem
großen Grundbesitzer vereinigten Genossen erteilte der Person das persönliche
Recht dieser Genossenschaft. Auch nahm man an, daß durch Vertrag und un-
erlaubte Handlung Unterwerfung unter das am Orte des Vertragsschlusses
oder der unerlaubten Handlung geltende, im späteren Mittelalter durch die