II. System des internationalen Privatrechts, 187
und daß daher prinzipiell auch im Auslande das heimatliche Recht der Person
maßgebend sei, daß aber anderseits das Recht der ausländischen Person insoweit
zurückzutreten habe, als die öffentliche Ordnung (Ordre public) des Territoriums,
in dem das Recht der Person geltend gemacht wird oder zur Entstehung kommen
soll, die Anwendung des in ihrem Territorium geltenden Gesetzes verlangt.
Diese vieldeutige Formel ist aber nur eine Etikette. In Wahrheit sind auch für
diese italienisch-französische Schule, der sich z. B. auch der Belgier Laurent
in seinem umfangreichen Werke angeschlossen hat, der auch eine neue deutsche
Theorie, die Theorie Zitelmanns, sich zuneigt, jene oben bezeichneten Er-
wägungen entscheidend. Tatsächlich beherrscht denn auch die bezeichnete
richtige Auffassung und Methode fast alle Untersuchungen über die einzelnen
Fragen des internationalen Privatrechts. Allerdings veranlaßt die Etikette
zuweilen irrtümliche Entscheidungen.
Im einzelnen wirklich sehr bedeutende Abweichungen von der Behandlung Behandiung des
des internationalen Privatrechts in den Staaten des europäischen Kontinents ac
zeigt die weniger auf Theorie, als auf Tradition und praktischen Takt sich England und den
gründende englisch-nordamerikanische Jurisprudenz. Doch hat hier die Wissen- "rm"
schaft des europäischen Kontinents in neuester Zeit Einfluß gewonnen, und
eine Annäherung ist zweifellos bemerkbar. Unzutreffend ist die zuweilen ge-
äußerte Ansicht, daß abgesehen von positiven Bestimmungen der einzelnen
Gesetzgebungen im Internationalen Privatrechte alles bestritten und unsicher
sei. Die bereits vor der Geltung des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs in
vielen Punkten feststehende Praxis der höheren deutschen Gerichtshöfe und
insbesondere des deutschen Reichsgerichts reicht aus, diese Behauptung zu
widerlegen.
II. System des internationalen Privatrechts. Das internationale Allgemeine
Privatrecht kann in zwiefaher Weise behandelt werden, einmal vom Stand- Tr m
punkte einer allgemeinen Theorie und sodann vom Standpunkte der Gesetz- einzelnen
gebung eines bestimmten Landes. Diese Methoden ergänzen sich gegenseitig. Händen.
Die allgemeine Theorie hat praktische Geltung nur, insoweit die Gesetzgebung
des einzelnen in Betracht kommenden Landes nicht abweichende Bestimmungen
über das internationale Privatrecht enthält; denn selbst wenn diese Gesetze ver-
kehrt sind, haben sie positive Geltung. Die Gesetzgebung des einzelnen Landes
aber kann die allgemeine Theorie nicht entbehren, und gerade im internatio-
nalen Privatrechte sind willkürliche, der Natur der Sache widerstrebende Be-
stimmungen sehr schwer durchzuführen; endlich bedürfen die in der Gesetz-
gebung vorhandenen positiven Bestimmungen über Anwendung oder Nicht-
anwendung ausländischer Rechtsnormen überall der Ergänzung durch die
Konsequenzen der allgemeinen Theorie. Zitelmann will neuerdings die all-
gemeine Theorie zu einem überstaatlichen (idealen), also von allen positiven
Grundlagen abstrahierenden Rechte erheben; aber ein solches internationales
Privatrecht dürfte als schon existierend nicht zu erweisen sein.
Theorie und Gesetzgebung können auch im Gebiete des internationalen