Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Gewohnbeits 
recht. Form der 
188 Lupwic von Bar: Internationales Privatrecht. 
Privatrechts ergänzt oder modifiziert werden durch Gewohnheitsrecht. 
Rechtsgeschäfte. Und auf nichts anderem als auf Gewohnheitsrecht beruht die freilich auch 
Gesetzesnormen 
beruhend auf 
wesentlich 
verschiedenen 
sittlichen oder 
Rechts- 
anschauungen. 
Internationale 
Verträge über 
Fragen des 
internationalen 
Privatrechts. 
durch augenfällige Zweckmäßigkeitsgründe getragene Rechtsregel, daß für 
die Form von Rechtsgeschäften — mit Ausnahme derjenigen, die unmittel- 
bare (dingliche) Rechte an körperliche Sachen begründen, modifizieren oder 
aufheben — überall die Beobachtung derjenigen Formalitäten als genügend 
betrachtet wird, die nach dem Gesetze des Ortes der Vornahme (genauer des 
Aufenthaltsorts der handelnden Personen) beobachtet werden müssen: ‚„Locus 
regit actum‘', eine Rechtsregel, die aber einerseits nur im allgemeinen den Rechts- 
verkehr erleichtert, die Beobachtung des sonst für das Rechtsgeschäft maß- 
gebenden Gesetzes nicht ausschließt (nur fakultative Bedeutung hat), ander- 
seits von der Gesetzgebung in einzelnen Fällen wohl außer Kraft gesetzt oder 
gegenteils — wie im Deutschen Reich für inländische Eheschließungen — für 
obligatorisch erklärt worden ist. 
Der Umstand, daß Gesetze eines anderen Staates auf sittlichen, national- 
ökonomischen oder Rechtsanschauungen beruhen, die von den unsrigen wesent- 
lich abweichen, schließt die Anerkennung der kraft der ausländischen Rechts- 
ordnung entstandenen Rechtsverhältnisse an sich nicht aus, obgleich das 
Gegenteil häufig (und insbesondere noch von Savigny) in ausgedehntem Maße 
behauptet ist. Richtig ist nur, daß unsere Rechtsordnung und unsere Gerichte 
nicht solche Konsequenzen ausländischer Rechtsverhältnisse verwirklichen 
oder verwirklichen helfen dürfen, die nach unserem Gesetze an sich als unzu- 
lässig betrachtet werden müssen. Die polygame Ehe eines türkischen Staats- 
angehörigen wird auch bei uns als rechtsbeständig, der aus solcher Ehe stam- 
mende Sohn als rechtmäßiger Erbe des Vaters in Gemäßheit des türkischen 
Gesetzes anzusehen sein. Aber eine aus dem Harem eines Türken entflohene 
Frau kann durch unsere Gerichte nicht gezwungen werden, zu dem Manne 
zurückzukehren. Ein Sklave, der aus einem Staate, in dem Sklaverei besteht, 
zu uns kommt, wird bei uns als freier Mensch behandelt. 
In neuester Zeit versucht man durch internationale Verträge für gewisse 
wichtige Rechtsmaterien ein möglichst universelles, in den einzelnen Vertrags- 
staaten alsdann als Gesetz einzuführendes internationales Privatrecht zu 
schaffen. Vorgearbeitet hat solchen Verträgen durch seine überhaupt für die 
Ausbildung des internationalen Privatrechts wie des Völkerrechts wichtigen 
Arbeiten das 1873 gegründete, aus einer Anzahl von Gelehrten und Staats- 
männern bestehende, durch Kooptation sich ergänzende „Institut de droit 
international‘. Zustande gebracht sind auf im Haag in den Jahren 1893—1905 
abgehaltenen offiziellen Konferenzen internationale Konventionen (Haagener 
Konventionen) zur internationalen Regelung des Eherechts, der Vormund- 
schaft über Minderjährige, der Entmündigung und einiger Materien des Zivil- 
prozesses. Es ist aber zu beachten, daß diese internationalen Verträge keines- 
wegs ein wirklich universelles internationales Privatrecht in den bezeichneten 
Rechtsmaterien ergeben. Sie gelten vielmehr, wenngleich sie andern Staaten 
den Beitritt offenhalten, nur unter den Vertragsstaaten und bzw. für deren
	        
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