Rechtsfähigkeit.
Geschäftsfähig-
keit.
190 LupwiG von Bar: Internationales Privatrecht,
maßgebende Beziehung die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz betrachtet.
Im Altertum und im früheren Mittelalter entschied die Staats-(Stammes-)
Angehörigkeit; später trat, mitveranlaßt dadurch, daß die große Masse des
Volkes alle politischen Rechte verlor, der Wohnsitz an die Stelle. um wieder
im Laufe des 19. Jahrhunderts nach und nach — zuerst in Frankreich, im
Jahre 1900 durch das Einführungsgesetz zum bürgerlichen Gesetzbuch auch
im Deutschen Reiche — in einer großen Anzahl von Staaten, die ein einheit-
liches nationales Gesetzbuch einführten, verdrängt zu werden. Doch ist der
Wohnsitz noch maßgebend in sehr bedeutenden Gebieten, so in England und
Nordamerika, und aus dieser Differenz ergeben sich allerdings einige bedeu-
tende, bis jetzt noch nicht zur allgemeinen Befriedigung gelöste Schwierig-
keiten (Problem der sog. Rückverweisung).
Im einzelnen mag folgendes hervorgehoben werden.
Die Rechtsfähigkeit der Person hängt im Auslande nicht ab von dem
heimatlichen Rechte der Person; sie wird vielmehr bestimmt durch dasjenige
Gesetz, das im übrigen für das fragliche Rechtsverhältnis maßgebend ist. : So
hängt es von der Gesetzgebung des Ortes des Grundstücks ab, ob der Aus-
länder Grundeigentum erwerben kann; von den Gesetzen des Landes, in dem eine
Vormundschaft geführt wird, ob der Ausländer dazu fähig ist. Aber während,
wie bemerkt, die privatrechtliche Rechtsfähigkeit des Ausländers sich im all-
gemeinen heutzutage von selbst versteht, gilt dies doch nur für physische, nicht
für sog. juristische Personen und Vereine. Diese durch besondere
Zwecke bestimmten Rechtsschöpfungen sind, weil über diese Zwecke verschie-
dene Anschauungen in den einzelnen Staaten bestehen können (z. B. über den
Nutzen verschiedener Stiftungen und Vereinigungen), und weil solche Schöp-
fungen übermächtig werden können, nicht allgemein und nicht in allen Be-
ziehungen ohne weiteres auch im Auslande rechtsfähig. Allerdings hängt die
Rechtsfähigkeit juristischer Personen und Vereine in erster Linie ab von dem
Gesetze, das am Sitze der juristischen Person gilt, und die Möglichkeit, durch
Briefe und Telegramme Verträge zu schließen und vor Gericht Rechte zu ver-
folgen und zu verteidigen, sollte ausländischen juristischen Personen und
Vereinen rationellerweise nicht bestritten werden, während die Fähigkeit aus-
ländischer juristischer Personen und Vereine, Grundeigentum zu erwerben und
zu erben, Geschäftsfilialen im Lande zu errichten, gewissen Beschränkungen
unterliegen mag. Anderseits können ausländische juristische Personen und
Vereine nicht umfangreichere Rechtsfähigkeit beanspruchen als gleichartige
inländische. Die Rechtsfähigkeit ausländischer Handelsgesellschaften wird auf
Grund von Staatsverträgen oder unter Voraussetzung eines gegenseitig gleichen
Verhaltens wohl überall anerkannt.
Die dauernde gesetzliche persönliche Fürsorge ist dem Staate zu über
lassen, dem diese Personen dauernd angehören (kraft Staatsangehörigkeit, bzw.
kraft Wohnsitz). Der Ausländer, der nach dem Gesetze seiner Heimat geschäfts-
fähig ist, ist daher im Staate X nicht geschäftsunfähig, wenngleich er dies nach
den in X geltenden Gesetzen sein würde: die Gesetze, welche die Geschäfts-