Einleitung. 203
griff dieser Regeln heißt man Zivilprozeßrecht. Das Prozeßrecht gehört zum
öffentlichen Recht. Die meisten Prozeßrechtsnormen haben den Charakter abso-
luter Rechtsnormen; es gibt aber innerhalb des Prozeßrechts auch dispositive
Vorschriften, das sind solche, die durch Vereinbarung der Parteien bei Seite
gesetzt werden können.
Aus den Vorschriften des Zivilprozeßrechts entsteht ein Anspruch auf Ge-
währung des Rechtsschutzes (Rechtsschutzanspruch). Ist ein Schutzbedürfnis
vorhanden, so kann der Schutzbedürftige von den Gerichten verlangen, daß
ihm der Rechtsschutz gewährt werde, wenn er das Rechtsschutzbegehren nach
den Vorschriften des Prozeßrechts erhebt. Beobachtung der Prozeßrechtsnormen
und Rechtsschutzbedürfnis sind die Voraussetzungen für die Gewährung des
Rechtsschutzes. Ein Mangel in diesen. Voraussetzungen hat die Abweisung des
Rechtsschutzbegehrens zur Folge. Der Rechtsschutzanspruch ist ein sub-
jektives öffentliches Recht; er richtet sich gegen die zur Gewährung des Rechts-
schutzes bestellten Organe des Staates, die Gerichte und deren Hilfsbeamte
(Gerichtsschreiber und Gerichtsvollzieher).
Innerhalb der Rechtsschutztätigkeit der Gerichte sind zu unterscheiden
das Erkenntnisverfahren und das Vollstreckungsverfahren.
Im Erkenntnisverfahren wird ermittelt und entschieden, ob derjenige,
welcher den Rechtsschutz begehrt, des Rechtsschutzes bedürftig ist und ob ihm
das behauptete Recht dem Gegner gegenüber zusteht. Die im Erkenntnisverfahren
zu treffende Entscheidung ergeht im ordentlichen Verfahren in Form eines Urteils.
Das dem Rechtsschutzbegehren stattgebende Urteil ist entweder ein Leistungs-
urteil oder ein Feststellungsurteil oder ein Bewirkungsurteil. Leistungsurteil ist
das Urteil, welches den Gegner zu einer Leistung (Tun oder Unterlassen) verurteilt.
Feststellungsurteil ist das Urteil, welches das Bestehen oder das Nichtbestehen
eines Rechtsverhältnisses oder einer rechtserheblichen Tatsache (Echtheit oder
Unechtheit einer Urkunde) deklariert. Bewirkungsurteil ist das Urteil, welches
den bestehenden Rechtszustand verändert, z. B. die Scheidung einer Ehe oder
die Aufhebung einer Gütergemeinschaft oder die Auflösung einer Gesellschaft
verfügt. Das das Rechtsschutzbegehren abweisende Urteil ist in seiner Trag-
weite verschieden, je nachdem es das Begehren des Rechtsschutzes wegen eines
Mangels der Ordnungsmäßigkeit des Begehrens, wegen Mangels des Rechts-
schutzbedürfnisses oder wegen Nichtbestehens des in dem Antrage behaup-
teten Rechtes abweist; nur dem Urteile der letzten Art kommt die Bedeutung
einer das materielle Recht des Gesuchstellers verneinenden Entscheidung zu.
Das Vollstreckungsverfahren setzt ein, wenn das Rechtsschutzbedürf-
nis durch das Urteil nicht befriedigt ist. Vollstreckt kann nur ein Leistungsurteil
werden, falls der Verurteilte dem Urteile nicht freiwillig nachkommt. Fest-
stellungsurteile und Bewirkungsurteile sind nicht vollstreckbar. Übrigens kann
der Anspruch auf Rechtsschutz durch Vollstreckung nicht bloß durch Urteil,
sondern auch durch Vertrag begründet werden. Es gibt gerichtlich oder notariell
beurkundete Verträge, die einem Gläubiger den Anspruch auf sofortige, nicht
durch vorherige Verurteilung des Schuldners bedingte Vollstreckung gewähren,
Rechtsschutz-
anspruch.
Erkenntnis-
verfahren.
Urteilsarten.
Vollstreckungs-
verfahren.