Beweis
und
Gegenbeweis.
Beweis-
verbindung.
214 LOTHAR VON SEUFFERT: Zivilprozeßrecht.
Tatsachen zu beweisen hat, von deren Vorhandensein die Vorschriften des
materiellen Rechtes die Entstehung des subjektiven Rechtes abhängig machen.
Sache des Beklagten ist es, die Tatsachen zu beweisen, welche das für den
Kläger entstandene Recht beendigen oder dessen Ausübung hemmen. Neben
dieser allgemeinen Regel gibt es zahlreiche Spezialvorschriften über die Ver-
teilung der Beweislast. Solche Vorschriften sind teils im Prozeßgesetze, teils
in den Gesetzen des bürgerlichen Rechtes enthalten. Das Bürgerliche Gesetzbuch
für das Deutsche Reich verfügt in zahlreichen Stellen über die Beweislast, indem
es entweder ausdrücklich anordnet oder durch die Fassung seiner Paragraphen zu
erkennen gibt, wen für gewisse Behauptungen die Beweislasttrifft. Zu den Vor-
schriften über die Beweislast gehören auch die gesetzlichen Vermutungen, d.s.Vor-
schriften, wonach unter gewissen Voraussetzungen eine Tatsache bis zum Beweise
des Gegenteils als feststehend anzunehmen ist, z. B. die Vermutung, daß ein Ver-
schollener, der für tot erklärt worden ist, in dem Zeitpunkte gestorben sei, welcher
in der gerichtlichen Todeserklärung als Zeitpunkt des Todes angegeben ist und
daß er bis zu diesem Zeitpunkte gelebt habe. Auch die zahlreichen Auslegungs-
regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind für die Beweislast bedeutsam, indem sie
die Beweislast derjenigen Partei zuwälzen, welche eine andere als diefür den Zwei-
felsfall angeordnete Auslegung einer rechtsgeschäftlichen Bestimmung vertritt.
Den Beweis, welchen die mit der Beweisführung belastete Partei zu führen
unternimmt, heißt man Beweis im engeren Sinne, während der Beweis, dessen
Führung der Gegner unternimmt, Gegenbeweis genannt wird. Die Beweis-
führung kann direkt auf die Tatsache gerichtet sein, mit der die Rechtswirkung
eintritt; sie kann aber auch auf eine Tatsache gerichtet sein, aus der ein Schluß
auf die Wahrheit oder Unwahrheit der rechtswirksamen Tatsache gezogen
werden kann; in diesem Falle spricht man von einem indirekten oder Indizien-
beweis. Soweit die Verhandlungsmaxime gilt, hat das Gericht nur diejenigen
Beweise aufzunehmen, welche von den Parteien beantragt sind (vgl. o. S. 213).
Im Eheprozeß, im Kindschaftsprozeß und im Entmündigungsprozeß kommen
Ausnahmen vor, weil hier die Verhandlungsmaxime durchbrochen ist.
Die Antretung des Beweises und des Gegenbeweises ist mit dem Vortrage
der Tatsachenbehauptungen und der Bestreitungen zu verbinden (System der
Beweisverbindung). Nach dem früheren gemeinen Prozeßrechte waren die
Behauptungen und Bestreitungen einerseits und die Antretung des Beweises
anderseits in zwei durch das Beweisurteil getrennte Prozeßabschnitte ver-
wiesen. In dem ersten Abschnitte wurden die Behauptungen und Bestreitungen
vorgebracht. Ergab sich hiernach das Bedürfnis des Beweises, so erging ein
Beweisurteil, in dem das Gericht die des Beweises bedürftigen Tatsachen be-
zeichnete und bestimmte, welche Partei sie zu beweisen habe. Dieses Urteil
war für das Gericht bindend; das Gericht mußte auf Grund der Tatsachen-
behauptungen, die es zum Beweis ausgesetzt hatte, die Entscheidung fällen.
Weil das Beweisurteil die bindende Unterlage des Endurteils bildete, konnte es
wie das Endurteil mit Berufung angefochten werden. War das Beweisurteil
rechtskräftig, so folgte im zweiten Abschnitte des Verfahrens die Antretung