Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Einleitung. 275 
mit Ausschluß des unermeßlichen Details. Die Art und Weise der Lösung 
dieser Aufgabe wird sich näher aus dem Begriff des Kirchenrechts und der 
Eigenart seiner Quellen ergeben. 
Kirchenrecht im Sinne der Gegenwart ist die äußere Gemeinschafts- Besrif. 
ordnung der kirchengesellschaftlich gegliederten Bekenner der christlichen 
Offenbarung. 
Als christliche Gemeinschaftsordnung schließt es von seinem Gegen- 
stande aus das heidnische Religionsrecht und das jüdische Kultus- 
recht. Das Kirchenrecht ist seinerseits nur ein Teil des Religionsrechts 
überhaupt. 
Als Gemeinschaftsordnung der kirchengesellschaftlich gegliederten 
Bekenner der christlichen Offenbarung trägt es einerseits konfessionellen 
Charakter (katholisches, evangelisches Kirchenrecht) und bedingt anderseits 
den Ausschluß der inneren Lebensordnung von christlichen Sekten. Letzteres, 
weil es an der zur Inanspruchnahme des Kirchenattributs erforderlichen Uni- 
versalität gebricht. Ersteres, weil die Kirche der Gegenwart nicht mehr als 
einheitlicher Rechtskörper besteht. Die Kirche als Einheit ist Gegenstand 
des Glaubens, aber nicht Realität in der sichtbaren rechtlichen Erscheinung. 
Das schließt nicht aus, daß gleichwohl inhaltlich übereinstimmendes Recht in 
den Konfessionskirchen bestehe. Solches kann beruhen auf geschichtlicher 
Erbschaft, auf Satzung durch den Staat oder auf spontaner Einerleiheit der 
Rechtsbedürfnisse.. Aber nirgends auf Einheit des Kirchentums. 
Als äußere Gemeinschaftsordnung ist die Ordnung der Kirchen wesentlich 
und notwendig Rechtsordnung. Als solche hebt sie sich von der lediglich der 
innerlichen Welt der Überzeugung und des Glaubens angehörigen, daher un- 
kontrollierbaren und nicht gegebenenfalls durch Zwang realisierbaren rein 
moralischen und religiösen Lebensordnung der Kirchen ab. ‚Das Recht 
steht‘‘ nicht ‚im Widerspruch mit dem Wesen der Kirche‘ (gegen Sohm). 
Nur wird allerdings der Zusammenhang von Kirche und Recht mit weit- 
tragenden Folgerungen verschieden vom Katholizismus und im Protestantismus 
hergestellt. Denn während die katholische Kirche als eine mit bestimmter 
Zwecksetzung und monarchischer Verfassung göttlich gestiftete Anstalt schon 
nach ihrem Lehrbegriffe Rechtsordnung an und in sich trägt, tritt die 
evangelische Kirche lediglich mit dem Anspruch geschichtlich-empirischer 
Notwendigkeit in die alle sittlichen Lebenskreise der Menschen beherrschende 
Rechtsordnung ein. Auf eben diese Verschiedenheit in der Auffassung des 
Verhältnisses der Kirche zum Recht führen sich alle Grunddifferenzen katho- 
lischer und evangelischer Kirchenordnung zurück. 
Als Gemeinschaftsordnung für Bekenner der christlichen Offenbarung 
entwickelt das Kirchenrecht notwendig eine Lebensordnung nach zweifacher 
Richtung: für das Ganze und für die Einzelnen. Sein objektiver Inhalt wie seine 
wissenschaftliche Lehre gliedern sich hiernach in, das Recht vom Kirchen- 
organismus und von der Kirchenmitgliedschaft. Dieses betrifft Be- 
gründung, Wirkungen und Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses. 
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