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nicht durch die innerliche Konsequenz stillschweigend ausgeschlossen ist.
Eine neue Kodifikation des kanonischen Rechts ist für das Geltungsgebiet der
katholischen Kirche durch das Motuproprio „De Ecclesiae legibus in unum
redigendis‘‘ v. 19. März 1904 eingeleitet. Im weiteren sind die kirchengesetz-
lichen Rechtsquellen konfessionell getrennt.
Zentrale kirchengesetzliche Rechtsquellen des katholischen Kirchen- Kat. kirchen-
rechts sind die Beschlüsse der ökumenischen Konzilien und die päpst- * Jueien.
lichen Erlasse. Von den beiden nachreformatorischen Konzilien hat das
Tridentinum (1542/63) die Scheidung zwischen Katholizismus und Protestan-
tismus im Gebiete des Glaubens vollendet und in 166 sog. Reformationsdekreten
die kanonische Rechtsordnung in allen wesentlichen Teilen, darunter namentlich
das Eherecht (sessio XXIV, s. aber u. III, 2) revidiert, das Vaticanum (1869/70)
die Verfassung der Kirche im Verhältnis von Papst, Konzil und Bischöfen im
Geiste der bisherigen Entwickelung durch die Dogmen der Unfehlbarkeit und
des Universalepiskopates abgeschlossen (const. Pastor aeternus vom 18. Juli
1870). Die päpstlichen Erlasse teilen sich nach ihrer Form in Bullen, Breven,
und Enzykliken. Unter diesen hat die Encyclica Quanta cura vom 8. De-
zember 1864 mit dem syllabus errorum nostrae aetatis, einem Verzeichnis von
80 angeblichen Zeitirrtümern, am schärfsten die mittelalterlichen Hoheits-
ansprüche der katholischen Kirche verwahrt (s. u. V) und ihre grundsätzlich
ablehnende Stellung zur modernen Kultur, soweit sie nicht selbst jenen An-
sprüchen dienstbar wird, festgelegt. Unter den in die Gegenwart ragenden
Quellenzeugnissen hierfür sind namentlich der neue Syllabus v. 13. Juli 1907
und die Encyclica Pascendi domini v. 8. September 1907 über den Modernismus
bemerkenswert. Partikuläre kirchengesetzliche Rechtsquellen sind die Be-
schlüsse von Provinzialsynoden, d. h. Versammlungen der Suffraganbischöfe
einer Kirchenprovinz unter dem Erzbischof, die bischöflichen Verordnungen
und die Statuten gewisser mit dem Rechte der Autonomie ausgestatteten kirch-
lichen Korporationen, wie der Domkapitel und geistlichen Gesellschaften.
Alles kirchengesetzliche Recht der evangelischen Kirche in Deutschland Evang. kirchen-
ist landeskirchliches Recht. Denn eine rechtlich verfaßte deutsche National- *" “veien.
kirche gibt es nicht. Zwar hat sich das Bedürfnis eines organischen Zusammen-
hangs der deutschen evangelischen Landeskirchen seit Mitte des 19. Jahrhunderts
mit immer wachsender Stärke angemeldet. Es hat aber zuletzt im November
1903 vorläufig nur zu einer freien Vertretung der Kirchenregimentsbehörden
im sog. „Deutschen Evangelischen Kirchenauschuß‘“ geführt, als einem Organe
gegenseitiger unverbindlicher Verständigung ohne administrative oder legis-
lative Zuständigkeit. Die landesherrlichen und städtischen Kirchenordnungen
des 16. und 17. Jahrhunderts haben mit verschwindenden Ausnahmen ihr
Geltung verloren. Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in terri-
torialistischer Auffassung die Rechtsverhältnisse der deutschen evangelischen
Landeskirchen zumeist durch Akte der Staatsgesetzgebung festgestellt. Erst
mit Ausbildung der Kirchengemeinde- und Synodalverfassungen ist an Stelle
dieser staatsgesetzlichen Ordnungen des Kirchenwesens ein selbständiges