Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Staatsgesetz]. 
Quellen. 
Konkordate und 
Circum- 
scriptionsbullen. 
Offenbarung. 
278 WILHELM KaHL: Kirchenrecht. 
Kirchengesetzgebungsrecht getreten. Hiernach sind heute die wichtigsten 
Entstehungsquellen des geltenden evangelischen Kirchenrechts die durch ver- 
fassungsmäßiges Zusammenwirken von Landes-(General-)\Synoden und 
Kirchenregiment zustande kommenden Kirchengesetze i.e.S. Darunter 
kommen in Betracht die von den Inhabern des Kirchenregiments ergehenden 
kirchlichen Verordnungen, die Erlasse der Kirchenregimentsbehörden und 
die Statuten der kirchlichen Ortsgemeinden und Synodalverbände. 
Staatsgesetzliche Quellen des Kirchenrechts sind Reichs- und 
Landesgesetzgebung. Zwar enthält die Reichsverfassung vom 16. April 1871 
keine unmittelbare kirchenrechtliche Kompetenzbestimmung. Dahingehende 
Anträge wurden aus durchschlagenden Gründen des Rechtes und der Politik 
schon vom verfassungsberatenden Reichstag, und wiederholt 1900 aus Ver- 
anlassung des Toleranzantrags von der Reichsregierung abgelehnt. Gleich- 
wohl wurde mittelbar die Reichsgesetzgebung durch die dem Reich vor- 
behaltene Zuständigkeit über das Vereinswesen, die Staatsangehörigkeit, das 
gesamte bürgerliche Recht, das Strafrecht, den Prozeß, das Gewerbe- und 
Versicherungsrecht, das Militärwesen und Kolonialrecht vielfach, wenn auch 
nur gelegentlich und in sich zusammenhanglos, zum Erlass von zahlreichen 
staatskirchenrechtlichen Bestimmungen, teils interkonfessionellen, teils kon- 
fessionell beschränkten Inhalts, veranlaßt. Das Ganze des staatskirchen- 
rechtlichen Systems in den Einzelstaaten wird organisch durch die Landes- 
gesetzgebung geordnet. In der Regel ist das Verhältnis dies, daß die Landes- 
verfassungen die durch Spezialgesetze vervollständigten Grundzüge des 
Staatskirchenrechts enthalten. So enthält in Preußen die Maigesetzgebung 
von 1873 mit ihren Novellen die verspätete Ausführung zu A. ı2ff. der Ver- 
fassung vom 31. Januar 1850, in Bayern das Religionsedikt von 1818 die Aus- 
führung zu $ 9 der gleichzeitigen Verfassung. Ähnlich in allen deutschen Einzel- 
staaten. 
Auch Verträge sind Quellen des Kirchenrechts. Während freilich inner- 
halb der evangelischen Landeskirche durch die Identität der Subjekte von 
Kirchen- und Staatsgewalt in der Person des Landesherren eine Rechtsbildung 
auf der Grundlage vertragsmäßiger Festsetzungen zwischen Staat und Kirche 
ausgeschlossen ist, bilden dagegen eine besondere Quelle für die rechtlichen 
Beziehungen der katholischen Landeskirchen zu den Staaten die Kon- 
kordate und Circumscriptionsbullen. Letztere umschreiben die kirch- 
liche Einteilung eines Landes und enthalten Bestimmungen über Amtsorgani- 
sationen und Staatsleistungen. Jene schließen daneben auch die prinzipielle 
Grenzregulierung zwischen Staat und Kirche von ihrem Inhalte nicht aus. 
Ihre staatsrechtliche Wirksamkeit beruht aber ausschließlich auf der Tatsache 
und Autorität staatlicher Publikation. (Bayerisches Konkordat vom 5. Juni 1817, 
staatlich publiziert als Anhang zum Religionsedikt vom 26. Mai 1818. Circum- 
scriptionsbulle De salute animarum für Preußen vom 16. Juli 1821, bestätigt 
durch Kabinettsorder vom 23. August 1821.) 
Ist aber überhaupt die Entstehung des Kirchenrechts auf Rechtsquellen
	        
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