Geistliche
Gesellschaften.
Evang. Kirchen-
verfassung.
Geistliches Amt.
Evang. Laien-
begriff.
282 WILHELM Kanu: Kirchenrecht.
verloren. Denn während bei allen mittelalterlichen Gegensätzen des Episkopal-
und Papalsystems doch immer unbestritten das ökumenische Konzil die höchste
Repräsentation der Kirche bildete und hinsichtlich der Lehre den wahren
consensus ecclesiae vertrat, ist durch die Vatikanischen Dekrete dogmatisch
festgelegt, daß der Papst als Universalbischof in seiner Person alle Einzel-
gewalten der Kirche repräsentiert, und daß er kraft der Unfehlbarkeit in allen
definitiones ex cathedra für sich allein die Kirche auch in ihrer höchsten Lehr-
gewalt vertritt. Das ökumenische Konzil ist daher rechtlich überflüssig ge-
worden oder höchstens ein feierlicher Apparat zur Stütze päpstlicher Ent-
scheidungen geblieben. Das Vatikanum hat freilich mit dieser Entrechtung
des ökumenischen Konzils die katholische Kirche eines geschichtlich bewährten
Mittels zur Überwindung innerer Krisen, wie einer Häresie des Papstes oder
des Eintritts eines Schisma, beraubt.
In der genossenschaftlichen Gliederung der Orden, Kongregationen
und Konfraternitäten schließt sich die Verfassung der katholischen Kirche ab.
Unter einer bestimmten regula können sich Kleriker und Laien, Männer und
Frauen in diesen geistlichen Gesellschaften zum Zwecke individueller
Religiositätspflege oder der Förderung allgemein kirchlicher Aufgaben frei
vereinigen. Die kirchenpolitisch hervorragendste Bedeutung haben die geist-
lichen Orden dadurch, daß in ihnen die immerwährenden feierlichen Gelübde
der Armut, Keuschheit und des Gehorsams abzulegen sind. Im Verhältnis
zum Staat und durch dessen Gesetzgebung sind auf Grund universalgeschicht-
licher Erfahrungen in allen Kulturstaaten die geistlichen Gesellschaften hin-
sichtlich ihrer Zulassung (Jesuiten, R.G. vom 4. VII. 1872, $ ı), hinsichtlich
der bürgerlichen Wirkung der Ordensgelübde und im Zusammenhang damit
hinsichtlich ihrer Erwerbs- und Vermögensfähigkeit (Amortisationsgesetze)
beschränkt.
2. In allem Wesentlichen weicht grundsätzlich die evangelische Kirchen-
verfassung ab. Ihre Elemente sind das geistliche Amt, die Gemeinde und
das Kirchenregiment.
Im Ausgangspunkte abgelehnt ist von der Reformation die sozialrechtliche
Gliederung in Kleriker- und Laienstand. Es gibt im neuen Bunde und in Christi
Reich kein spezifisches Priestertum. Alle haben unmittelbaren Zugang zu Gott.
Allekönnen den Dienst am Evangelium versehen, soweit allein dieinnerliche
Befähigung im Verhältnis zu Gott in Frage kommt. Aber nicht alle sollen
es tun. Die Ordnung fordert Bestellung eines ständigen Organs, in welchem
das allgemeine Priestertum zu geregelter Ausübung kommt. Dieses Organ ist
das geistliche Amt. Der Akt der Vollmachtserteilung zur Ausübung des
allgemeinen Priestertums im Namen der Kirche heißt auch hier Ordination.
Sie ist Voraussetzung für die Übertragung des geistlichen Amtes. Aber nach
Inhalt und Wirkung unterscheidet sie sich von der katholischen. Sie ist das
rechtliche Zeugnis der Kirche über die wissenschaftlich und bekenntnismäßig
erbrachte Befähigung zur Führung eines geistlichen Amtes, ein in gottes-
dienstliche Formen gekleideter jurisdiktioneller Akt. Daher keine magischen